„Ich habe dem Investor vom Kauf abgeraten“

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 10. Januar 2011

Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken (Die Linke) im PBN-Interview über den Streit um die Blockrandbebauung an der Straßburger Straße.

An der Belforter Straße, Ecke Straßburger Straße gibt es Streit um einen Neubau: Drei einzelne Häuserblöcke stehen dort derzeit, die Investor Rainer Bahr nun durch eine Blockrandbebauung zur Straßburger Straße hin verbinden möchte. Um dies zu verhindern, hat das Bezirksamt das Areal mit einer einjährigen Veränderungssperre belegt, gegen die Bahr nun wiederum klagen will. Wie ist es überhaupt zu diesem Konflikt gekommen?

Völlig unabhängig von Herrn Bahr hat sich der Bezirk in den letzten Jahren damit befasst, wie man bei den steigenden Bodenpreisen zu große Bebauungsdichten verhindern kann. Dazu haben wir 35 Häuserblöcke untersucht, bei denen man nach geltendem Recht noch Anbauten vornehmen kann, darunter auch den an der Belforter Straße. Dabei ging es jedoch nicht um den Ausschluss von Bebauung generell, sondern um deren Dämpfung. Ziel war eine entsprechende Änderung des Bebauungsplans.

 

Wusste Herr Bahr, dass Sie an dem Bebauungsplan für das Grundstück arbeiten?

Ja, das wusste er. Ich habe ihm mitgeteilt, dass wir die Bebaubarkeit einschränken wollen. Dennoch hat er Anfang Mai 2010 eine Bauvoranfrage gestellt – damals hatte er das Grundstück noch nicht gekauft, und ich habe ihm abgeraten.

Nach der Anfrage war uns klar, dass wir uns schnell entscheiden müssen. Zeitgleich entstand eine öffentliche Debatte, die unser Anliegen – die Verhinderung einer weiteren Verdichtung – zuspitzte auf die Frage, ob da überhaupt gebaut werden soll. Um das zu klären, hat man als öffentliche Hand nur eine Möglichkeit: das Erhaltungsrecht, und damit das greift, braucht man gute Gründe. Daher hat das Bezirksamt sich entschieden, einen Aufstellungsbeschluss einer Erhaltungssatzung der städtebaulichen Eigenart zu fassen, die eine Veränderung der Baustruktur ausschließt. So ein Aufstellungsbeschluss hat aber nur eine aufschiebende Wirkung. Letztendlich braucht man ein Gutachten, um endgültig zu klären, ob es vertretbare und gerichtsfeste Gründe gibt, mit einer städtebaulichen Erhaltungssatzung die städtebauliche Gebäudestruktur zu schützen. Das wurde nun in Auftrag gegeben.

 

Der Bebauungsplan und das Erhaltungsrecht sind also zwei unterschiedliche Instrumente, die beide gerade in Bezug auf die Straßburger Straße zum Tragen kommen?

Richtig. Uns ging es zunächst nur um die Einschränkung der Bebauungsdichte, das war eine Frage des Bebauungsplans. Über dessen Änderung entscheidet die BVV, wobei sie jedoch die Rechte der Grundstückseigentümer beachten muss. Nun geht es um eine bestimmte historisch gewachsene Baustruktur, die man mit einer Erhaltungsverordnung schützen will. Das ist ein ganz anderer Paragraph. Ein Gutachten muss begründen, warum dieses städtebauliche Ensemble erhaltenwert ist; es ist nicht beklagbar. Der Teutoburger Platz etwa gilt als städtebauliche Eigenart. Dort kann man zwar Häuser bauen, aber bestimmte Sachen dürfen nicht verändert werden.

 

Investor Bahr wirft Ihnen vor, auf das Bezirksamt sei kein Verlass – die Blockrandbebauung sei lange politisch gewollt und in den Sanierungsplänen immer vorgesehen gewesen. Unter diesen Voraussetzungen habe er gekauft; nun werde ihm dieses Recht vorenthalten.

Das ist sicher falsch. In den Sanierungsplänen war nichts spezifiziert und keine Blockrandbebauung vorgesehen, die ist lediglich in diesem Gebiet typisch. Sanierungsziele waren Neuordnung und Flächensicherung.

 

Dennoch stimmt es ja, wie Sie gerade selbst gesagt haben, dass Sie zunächst ein politisches Ziel hatten, und dieses nun mit einem Gutachten zu untermauern versuchen. Das spricht doch für Bahrs Vorwurf, Sie betrieben eine Verhinderungsplanung, gegen die er nun klagen will.

Mit dem Bebauungsplan haben wir ein positives städtebauliches Ziel formuliert, das war keine Verhinderungstaktik.

 

Aber Sie sind gegen die Verdichtung, für die die geplante Blockrandbebauung steht.

Ich finde eine zu starke Verdichtung nicht vernünftig, aber ich kann sie nicht verhindern. Es sei denn, ich habe aus irgendwelchen Gründen ein Rechtsinstrument. Letztendlich sägen die Grundstückseigentümer mit ihren Neubauten aber an dem Ast, auf dem sie sitzen: Mit zunehmender Verdichtung nimmt die Lebensqualität ab – weniger Licht, mehr Lärm, die Probleme wachsen.

 

Der Streit um den Blockrand an der Straßburger Straße ist kein Einzelfall. Immer wieder gibt es Ärger zwischen Grundstückseigentümern und Bauamt um Genehmigungen – was erwidern Sie ihren Kritikern?

In den letzten zehn Jahren hat man die Verwaltung stark zusammengespart. Was die Bauverwaltung in den engeren Bereichen Stadtplanung und Bauaufsicht angeht, wo jeder, der einen Baumantrag stellt, durch muss, sind wir viel zu schlecht besetzt. Die Verwaltung ist nicht mehr in der Lage, in angemessener Zeit ihre Aufgaben zu erledigen. Schon bei einem relativ normalen Bauantrag dauert es länger als die sonst üblichen zwei bis drei Monate, bis man eine Genehmigung hat. Die Mitarbeiter sind einfach ständig überlastet.

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