Herr der Kleiderkammer

von Susanne Grautmann 4. Januar 2016

Wer sind eigentlich die Flüchtlingshelfer in Prenzlauer Berg? Das fragen wir in unserer Serie. Dirk Schug, 44, hat die Kleiderkammer der Notunterkunft an der Malmöer Straße mit aufgebaut.

„Hey Mister, have you got shoes today?“, fragen drei Flüchtlinge Mitte 20, die gerade eine Zigarette vor der Notunterkunft an der Malmöer Straße rauchen, und lachen Dirk Schug an. „Das ist hier mittlerweile der running gag“, grinst der. Turnschuhe seien extrem beliebt bei den Bewohnern, aber meistens knapp in den Beständen der Kleiderkammer.

Schug hat die Kleiderkammer von Anfang an mit betreut. Außerdem hilft der 44-Jährige dabei, Begleitdienste für Arzt- oder Ämtergänge der Flüchtlinge zu koordinieren.    

 

Worum kümmerst Du Dich?

 

Zuerst sortieren wir die Spenden für die Kleiderkammer vor, sie kommen ja meistens in großen Säcken oder Kartons hier an: Damen, Herren, Oberbekleidung, Unterbekleidung, Schuhe. Schmutzige oder kaputte Kleidungsstücke entsorgen wir. Die restlichen Sachen räumen wir in die Regale ein. Wenn die Bewohner dann kommen, helfe ich ihnen dabei, etwas in ihrer Größe zu finden. Weil in der Malmöer Straße zurzeit fast ausschließlich Männer untergebracht sind, bin ich eigentlich Herrenausstatter (lacht). 

 

Wie schaffst Du das zeitlich? 

 

Beruflich arbeite ich als IT-Projektmanager von zuhause aus und kann mir meine Arbeitszeit ziemlich flexibel einteilen. Ich wohne direkt um die Ecke, da kann ich auch zwischendurch mal eben zur Unterkunft rübergehen. In der Kleiderkammer bin ich dreimal in der Woche drei Stunden lang im Einsatz. Das finde ich leistbar. 

 

Wie bist Du Flüchtlingshelfer geworden? 

 

Eigentlich wollte ich schon im Sommer am LaGeSo helfen. Aber wie das dann so oft ist: Man schiebt es von heute auf morgen und auch auf übermorgen. Als dann die Sporthalle hier in der Malmöer zur Notunterkunft wurde, gab es keine Ausrede mehr für mich. Ich bin einfach hingegangen und habe gefragt, wie ich helfen kann. Über die Facebook-Seite habe ich mich dann für die Kleiderkammer gemeldet, weil da noch am meisten Bedarf war. 

 

Wie fällt deine Bilanz bisher aus?

 

Mir macht es Spaß, dort zu helfen. Es ist ein gutes Gefühl, vor Ort zu sein und etwas Sinnvolles zu tun. Das Leben besteht ja nicht nur aus Party und Arbeit. Man kann den Leuten dort mit wenig Aufwand viel Freude bereiten. 

Die meisten Flüchtlinge finde ich sehr sympathisch, in der Kleiderkammer komme ich mit vielen von ihnen ins Gespräch. Ich bin beeindruckt, wie schnell viele die ersten Brocken Deutsch lernen. Manche kommen bestimmt auch dorthin, um ein bisschen Abwechslung von ihrem Alltag in der Halle zu haben. Ein Flüchtling aus der Unterkunft ist fast jedes Mal dort und hilft beim Übersetzen. Manchmal ärgere ich mich natürlich auch. Zum Beispiel, wenn jemand sich das fünfte Paar Schuhe aussuchen möchte. Aber so etwas kommt überall vor. 

 

Was steht in den nächsten Wochen an? 

 

Um die Kleiderkammer kann ich mich in Zukunft nicht mehr so wie bisher kümmern, weil ich einen neuen Job antrete. Dann bin ich nicht mehr so flexibel. Aber es gibt ja genug organisatorische Dinge, die ich auch von zuhause regeln kann. Die Koordinierung der Begleitdienste für Ämter- und Arztbesuche oder die Suche nach Großspendern für Kleidung zum Beispiel. Kurz vor Weihnachten haben wir von einem Online-Herrenausstatter noch zwanzig große Säcke mit tollen gebrauchten Klamotten bekommen, die wir jetzt verteilen können. So etwas werde ich auch weiterhin machen. 

 

Welche Hilfe wird an der Malmöer Straße noch gebraucht? 

 

Alle, die helfen wollen, sind herzlich willkommen. Man braucht überhaupt keine Berührungsängste zu haben. Niemand muss sich gleich für eine halbe Ewigkeit verpflichten. Man kann auch wieder aussteigen, wenn man es nicht mehr schafft. 

Abgesehen davon brauchen wir noch weitere Spenden: vor allem Herrenunterwäsche, Winterjacken, Rucksäcke und Schuhe. Am liebsten natürlich Turnschuhe.

Regelmäßig aktualisierte Bedarfslisten und Kontaktadressen für alle Flüchtlingsunterkünfte in Pankow finden Sie unter pankow-hilft.de. Weitere Infos in unserem Flüchtlingshandbuch.

 

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