Unsere neuen Nachbarn

von Kristina Auer 14. März 2016

Flüchtlinge sind willkommen in Prenzlauer Berg. Aber wieviele sind es genau, woher kommen sie und wie geht es weiter? Wir haben Eure Fragen gesammelt. Hier geben wir verständliche Antworten.

Spätestens seit dem letzten Herbst gehören Geflüchtete in Prenzlauer Berg für alle mit zur Nachbarschaft. In dieser Woche dreht sich deshalb bei uns alles um das Thema Flüchtlinge. In unserem Schwerpunkt geht es vor allem um die Frage, wie Integration in den ganz normalen Alltag am besten funktioniert. Dafür beleuchten wir unterschiedliche Aspekte des Flüchtlingsthemas, haben Geflüchtete getroffen und mit Ehrenamtlichen gesprochen, die in den Unterkünften vor Ort sind.

Vorab haben wir die wichtigsten Fragen gesammelt, die Euch rund um das Thema Flüchtlinge auf dem Herzen liegen. Hier findet Ihr die wichtigsten Fragen und Antworten:

 

Wieviele Flüchtlinge leben in Prenzlauer Berg?

 

In den Unterkünften in Prenzlauer Berg leben aktuell 1.250 Geflüchtete (Stand: 26. Februar 2016). Sie leben in insgesamt sechs Unterkünften, zwei von ihnen sind Gemeinschaftsunterkünfte, sie stehen in der Straßburger und in der Storkower Straße. In der Storkower Straße gibt es seit September 2015 außerdem eine Notunterkunft in einem früheren Bürogebäude. Drei Turnhallen werden darüber hinaus seit Herbst als Notunterkünfte genutzt: Seit September die Turnhalle in der Wichertstraße, die Sporthalle des Oberstufenzentrums Marcel-Breuer-Schule in der Malmöer Straße seit letzten November und die Turnhalle an der Marie in der Winsstraße seit Dezember eine Notunterkunft. Darüber hinaus sind Geflüchtete in zwei Hostels in der Greifswalder und der Hufelandstraße untergebracht. Von der Organisation und der Versorgung der Ehrenamtlichen sind diese an die Notunterkunft Winsstraße angeschlossen.

In ganz Pankow leben derzeit insgesamt 3.597 Flüchtlinge. Wie das Bezirksamt in einem offenen Brief an die Pankower mitteilt, der leider bisher nicht versendet worden ist, beträgt der Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung in Pankow damit unter einem Prozent. Auch in Prenzlauer Berg, wo 156.000 Menschen leben, liegt die Zahl von 1.250 Flüchtlingen unter einem Hundertstel der Gesamtbevölkerung.

 

Wie lange wohnen die Flüchtlinge schon bei uns?

 

Ein Blick auch den letzten Winter zeigt, wie stark die Flüchtlingszahlen gestiegen sind. Im Dezember 2014 lebten in Pankow nur 540 Geflüchtete. Damals gab es im gesamten Bezirk nur drei Unterkünfte für Flüchtlinge, heute sind es 16 Heime. Die Gemeinschaftsunterkunft in der Straßburger Straße gibt es schon seit 2012, sie war bis letztes Jahr die einzige in Prenzlauer Berg. Während des letzten Jahres sind rund 3.100 Asylsuchende nach Pankow gekommen.

 

Wer sind die Flüchtlinge?

Die meisten Flüchtlinge in Pankow kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, aber auch aus Balkanstaaten wie Kosovo, Albanien, Moldawien, Serbien und Bosnien. In der Tabelle findest Du die genauen Anteile der Herkunftsländer aller Geflüchteten in Pankow. Auf Nachfrage teilte das Bezirksamt mit, dass keine Daten zur Religionszugehörigkeit der Menschen erhoben werden.

70 Prozent der Flüchtlinge in Pankow und Prenzlauer Berg sind Männer, 30 Prozent Frauen. Ein Drittel aller Flüchtlinge, die in Prenzlauer Berg leben, sind Kinder. In Pankow leben außerdem 104 unbegleitete Minderjährige Flüchtlingskinder. Dazu kommen 17 junge Volljährige, die ebenfalls unbegleitet sind.

Viele bevorzugen übrigens das Wort Geflüchteter anstatt Flüchtling, weil sie finden, dass „Flüchtling“ ein eher veraltetes Wort ist, das komisch klingt oder mit einer negativen Konnotation besetzt ist. Das Satiremagazin „Titanic“ hat das Wort im letzten Jahr aufs Korn genommen, als es in der Oktober-Ausgabe mit dem Satz „Pilz des Jahres: Der Flüchtling“ titelte. Wenn Du mehr über die sprachlichen Überlegungen zu diesen Begriffen erfahren willst, kannst Du Dich hier informieren.

 

Wo gehen die Flüchtlingskinder zur Schule?

 

Die Kinder gehen in sogenannte Willkommensklassen an den Pankower Schulen. Dort lernen sie zuerst die Sprache und kommen mit der Kultur in Kontakt. Wenn alles gut läuft, können sie, sobald sie gut genug Deutsch sprechen, in eine normale Schulklasse wechseln. Derzeit gibt es in Pankow laut Bezirksamt 43 Willkommensklassen mit insgesamt 492 Schülerinnen und Schülern (Stand: 1. März 2016). An Grundschulen gibt es 24 Willkommensklassen mit insgesamt 270 Kindern. An den Oberschulen lernen 222 Jugendliche in insgesamt 19 Klassen.

Falls die Zahl der schulpflichtigen Flüchtlingskinder in Zukunft noch zunimmt, will das Bezirksamt diese allerdings nur noch direkt in den Unterkünften unterrichten. Dies teilte es jedenfalls im Februar mit, als die ersten Standorte für künftige Unterkünfte bekannt gegeben wurden. In der Mitteilung hieß es: „Die räumlichen Aufnahmekapazitäten für weitere Willkommensklassen in den vorhandenen Pankower Schulen sind ausgeschöpft. Wer modulare Unterkünfte oder Container aufstellt, muss dort gleichzeitig für Unterrichtsräume sorgen. Die Beschulung der geflüchteten Kinder kann künftig nur noch in den Unterkünften selbst erfolgen.“

 

Wieviele Fllüchtlinge kommen noch?

 

Was die Entwicklungen der Flüchtlingszahlen angeht, ist laut Bezirksamt „derzeit keine seriöse Schätzung möglich.“ Ein Blick in die aktuelle Wachstumsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann als einziger Anhaltspunkt für die zukünftigen Flüchtlingszahlen dienen. Dazu, wie verlässlich solche Prognosen sind, haben wir kürzlich in unserem Schwerpunkt zum Thema Wachstum berichtet.

Laut Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sind im Jahr 2015 rund 54.000 Geflüchtete dauerhaft in Berlin geblieben. Für die Jahre 2016 und 2017 rechnet die Wachstumsprognose mit weiteren rund 50.000 Flüchlingen pro Jahr. Berechnet man, dass von 54.000 Geflüchteten in ganz Berlin im Jahr 2015 gut 3.000 Menschen nach Pankow gekommen sind, so könnten von den jeweils 50.000 Menschen grob überschlagen in den kommenden beiden Jahren nochmals je rund 2.700 Geflüchtete nach Pankow kommen. Zusammen mit den bereits hier lebenden Geflüchteten – gesetzt den Fall, diese blieben alle hier – käme man also auf eine Zahl von 8.900 Menschen am Ende des Jahres 2017. Dann betrüge der Anteil der Geflüchteten an der Pankower Gesamtbevölkerung nach jetzigem Stand knapp 2,3 Prozent. Es sei nochmals gesagt: Diese Zahlen sind reine Prognose, die Entwicklung der Flüchtlingszahlen ist bislang noch Zukunftsmusik.

 

Wann werden die Containerdörfer gebaut?

 

Über die öffentliche Verwirrung der letzten Wochen um den Bau der Containersiedlungen haben wir berichtet. Im Februar veröffentlichte die Senatsverwaltung insgesamt 69 Standorte in ganz Berlin, an denen Containerdörfer und Modulbauten für Flüchtlinge entstehen sollen. In Pankow sind insgesamt neun Standorte hierfür vorgesehen, fünf mit modularen Unterkünften und vier mit Wohncontainern. An jedem der Standorte sollen 500 Personen Platz finden.

Drei Standorte gibt es in Prenzlauer Berg, auf allen sollen Containersiedlungen entstehen: an der Greifswalder Straße 80d, an der Walter-Friedländer Straße nördlich 19 und auf der Werneuchener Wiese an der Danziger Ecke Kniprodestraße. Alle drei Standorte werden allerdings derzeit nochmal vom Senat auf ihre Eignung überprüft. Die beiden Grundstücke an der Greifswalder und Walter-Friedländer-Straße sind kleiner als die für den Senat als Mindestgrenze geltenden 5.000 Quadratmeter. Auf der Werneuchener Wiese wird überprüft, ob die Entstehung eines Feuerwehrstandortes Vorrang hat. In der aktuellen Liste des Senats steht daher zu den drei Standorten in Prenzlauer Berg: „In Klärung, ggf. Grundstückstausch oder -ergänzung im Bezirk.“ Wann genau die Modulbauten und Containersiedlungen bezugsfertig sein werden, ist noch unklar. Laut Berliner Morgenpost dauert der Bau einer modularen Unterkunft rund sechs Monate. Demnach könnten die ersten im Herbst fertig sein, andere sollen Anfang 2017 bezogen werden. Der Bau der Containerdörfer soll dagegen etwas schneller vorangehen.

Das Bezirksamt hat sich indessen klar für die Standorte in Prenzlauer Berg ausgesprochen. Bezirksbürgermeister Mathias Köhne (SPD) sagte: „Ich begrüße sehr, dass von Seiten des Senats endlich ein zielgerichteter Plan zur Unterbringung von Flüchtlingen zu erkennen ist.“ Die neu enstehenden Bauten sollen zunächst für drei Jahre als Unterbringung für Geflüchtete dienen. Danach sollen die Gebäude beispielsweise als Studentenwohnungen weiter genutzt werden.

 

Wann werden die Turnhallen wieder frei?

 

Auch zu dieser Frage gilt: Nichts Genaues weiß man nicht. Als die Turnhalle in der Winsstraße vom Senat beschlagnahmt wurde, wollte dieser sie ursprünglich maximal für sechs Monate, also bis zum 31. Mai 2016 als Notunterkunft nutzen. Für die beiden anderen Sporthallen wurden erst gar keine Angaben zum Zeitraum gemacht. Inzwischen glaubt eigentlich niemand mehr daran, dass der Zeitraum bis Ende Mai eingehalten werden kann. Bezirksamt, Betreiber und Helfer rechnen damit, dass die Nutzung der Turnhallen mindestens bis zum Sommer verlängert wird. Bezirksbürgermeister Köhne zu den Notunterkünften: „Unser Ziel ist, möglichst bald die Sporthallen freizuziehen und die geflüchteten Menschen, die dort derzeit notdürftig untergebracht sind, verlegen zu können. Dies kann bis zum Sommer gelingen, wenn bis dahin genügend Container bezugsfertig sind und die Zahl der neu ankommenden geflüchteten Menschen nicht wieder größer wird.“

 

Kommen die Geflüchteten dann von den Turnhallen in die Containersiedlungen oder werden sie verlegt und es kommen neue Flüchtlinge?

 

Wie gesagt gibt es noch keine konkreten Äußerungen der Politik, was genau in den neu entstehenden Containerdörfern passieren soll. Im Sinne einer bestmöglichen Integration wäre es in jedem Fall sinnvoll, diejenigen Menschen, die bisher bereits in den Unterkünften in Prenzlauer Berg gelebt haben, auch in den Containersiedlungen unterzubringen, da diese meist schon in der Nachbarschaft gut integriert und vernetzt sind. Sie in weiter entfernte Unterkünfte zu verlegen würde bedeuten, die Menschen erneut aus ihrem sozialen Umfeld herauszureißen und sowohl ihre bereits geleisteten Eingewöhnungsbemühungen ebenso wie die integrative Arbeit der vielen Ehrenamtlichen in den Unterstützerkreisen rückgängig zu machen. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die Geflüchteten nach der Schließung der Notunterkünfte weiterhin möglichst lokal untergebracht werden.

 

Wieso können die Flüchtlinge nicht einfach in den illegalen Ferienwohnungen leben?

 

Klingt eigentlich logisch: In Prenzlauer Berg gibt es um die 3.500 nicht genehmigten Ferienwohnungen. Die sind seit Mai 2014 illegal, die Übergangsfrist für die Eigentümer endet im Mai diesen Jahres. Liegt da nicht der Gedanke nahe, Flüchtlinge in diesen Wohnungen unterzubringen? Darüber, dass diese Idee leider auf der politischen Ebene scheitert, haben wir schon einmal berichtet. Hier geht es zum Artikel.

 

Wie kann ich helfen?

 

In allen Unterstützerkreisen und Unterkünften können immer tatkräftige Helfer gebraucht werden. Darüber, wie und wo Du Dich am besten einbringen kannst, haben wir einen eigenen Artikel geschrieben. Wenn Du Dich für Flüchtlinge engagieren willst, findest Du dort alle wichtigen Adressen und Kontakte. Zu unserem ABC der Flüchtlingshilfe in Prenzlauer Berg geht es hier entlang.

 

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Weitere Texte zu unserem aktuellen Schwerpunkt „Flüchtlinge in Prenzlauer Berg“:

 

* Wann man wirklich ankommt: Sich ein neues Leben aufbauen, wie geht das eigentlich? Ammar aus Damaskus lebt seit einigen Monaten in Prenzlauer Berg. Er hat uns vom langen Weg bis zum wirklichen Ankommen erzählt.

* Was ein Freund machen würde: Von der Erstversorgung bis zum Partys schmeißen: Die Helfer in den Flüchtlingsunterkünften übernehmen eine Menge Aufgaben. Im Podcast erzählen zwei von ihnen aus dem Alltag der Ehrenamtlichen

* ABC der Flüchtlingshilfe in Prenzlauer Berg: Du möchtest Dich für Flüchtlinge engagieren?  Wir haben einen kleinen Wegweiser erstellt und zeigen Dir, wie und wo in Prenzlauer Berg Du Dich überall einbringen kannst.

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