Fahrstühle dürfen halten, die Mieten steigen

von Thomas Trappe 13. Juni 2012

Ein Fahrstuhl am Arnimplatz darf trotz Milieuschutz auf jeder Etage halten. Ein Gerichtsurteil, das weitreichende Bedeutung hat. Und Mieter 100 Euro im Monat kosten kann. 

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: In einem Haus am Arnimplatz, das unter Milieuschutz steht, darf ein Fahrstuhl eingebaut werden, der auf allen Etagen hält. In dem Verfahren ging es um ein sechsgeschossiges Gebäude, in dem er Besitzer das Dach zu einer Wohnung ausgebaut hatte. Das Bezirksamt untersagte ihm, neben dieser auch weitere Wohnungen mit dem Fahrstuhl zu erschließen. Begründung: Solch eine Maßnahme sei geeignet, „die Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung zu gefährden“. Es ging dabei um die grundsätzliche Frage: Barrierefreiheit dank Fahrstuhl oder Mietdrosselung durch Fahrstuhlverbot? Entsprechende grundsätzliche Bedeutung hat das Urteil, das nun zugunsten der Barrierefreiheit entschied.

Der OVG-Entscheidung war ein längerer Rechtsstreit vorausgegangen. Das Bezirksamt hatte sich bei der Versagung des Fahrstuhls auf den Milieuschutz berufen, der Aufzüge untersagt, außer, sie führen vom Erdgeschoss direkt in ein neu ausgebautes Dachgeschoss. Dagegen protestierte der Hauseigentümer vor dem Verwaltungsgericht, das ihm Recht gab. Der Bezirk zog daraufhin vor das OVG, wo das vorinstanzliche Urteil nun bestätigt wurde. Der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) begrüßt den Richterspruch. „Es gibt jetzt Klarheit“, sagte er, außerdem sei es „nur folgerichtig, dass Barrierefreiheit auch in Milieuschutzgebieten umgesetzt wird“. Das Urteil – eine Revision ist vom OVG nicht zugelassen worden – hat Signalwirkung, da ähnliche Fälle in Prenzlauer Berg immer wieder auftreten.

 

Nicht alle Vermieter legen Kosten komplett um

 

Die gerade schwebenden Verfahren, in denen Hausbesitzer Fahrstuhleinbauten beantragt haben, sollen jetzt im Lichte des OVG-Urteils bewertet werden, so Kirchner. Entsprechend hätten sich die Zuständigen in der Verwaltung bereits verständigt. Was wohl heißen dürfte, dass die Genehmigungen für Fahrstuhlbauten bald erteilt werden. Zu rechnen ist nun wohl auch mit einer Vielzahl neuer Aufzugseinbauten in Prenzlauer Berger Milieuschutz- und Sanierungsgebieten.

Ein Rechtsanwalt, der einen Prenzlauer Berger Immobilienbesitzer in einem ähnlich gelagerten Fall vertritt und nicht namentlich genannt werden will, geht davon aus, dass bei seinem und anderen Aufzug-Prozessen nun ähnlich entschieden wird. Zweifelsohne würde dies auch Mietsteigerungen mit sich bringen. Bei Kosten von bis zu 200.000 Euro für den Einbau eines Fahrstuhls könnten zwischen 50 und 100 Euro auf die Monatsmiete aufgeschlagen werden, hinzu kämen noch die Betriebskosten. Allerdings sei nicht davon auszugehen, dass alle Vermieter von diesem Recht Gebrauch machen, da sie sich ihrer sozialen Verantwortung durchaus bewusst seien, so der Anwalt.

 

Warten auf den Gesetzgeber

 

So sehr Stadtrat Kirchner auch die mit dem OVG-Urteil einhergehende Rechtssicherheit begrüßt: Die Frage, wie mit den Aufzugskosten umgegangen werden muss, ist für ihn noch nicht beantwortet. Gerade weil das Urteil die Bewertung nahelege, dass ein Fahrstuhl zum modernen Wohnungsstandard zählt, sei eine Umlage eigentlich ausgeschlossen. „Der Einbau einer modernen Heizungsanlage wird ja schließlich auch nicht von den Mietern gezahlt.“

Trotzdem: Jetzt darf erst mal umgelegt werden. Um hier eine für Mieter und Vermieter akzeptable Regelung zu finden, „ist nun der Gesetzgeber gefordert“, so Kirchner.

 

 

 

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