Apfelallee statt Pappelallee

von Anja Mia Neumann 3. November 2015

Nussbäume an der Schönhauser Allee, Mirabellen und Himbeeren im Mauerpark, Apfelbäume in der Pappelallee: Prenzlauer Berg soll essbare Straßen und Parks bekommen. Gar nicht so utopisch.

Ein Apfel frisch vom Baum: Aber nicht aus der Kleingarten-Kolonie, sondern von der Straße oder aus dem Park. In Andernach, im Rheintal gelegen, gibt es das schon – inzwischen auch im Görlitzer Park. Beim Projekt „Essbarer Bezirk“ will auch Pankow dabei sein.

Nicht nur der Name wirft Fragezeichen auf. Wie soll das umgesetzt werden? Und vor allem wo? Was leisten die Bürger? Was der Bezirk? Das alles war Thema bei einem öffentlichen Workshop im Bezirksamt.

Die Initiative Mundraub war einer der Teilnehmer: Sie nennt sich „eine Internetplattform für vergessenes Obst im öffentlichen Raum“. Seit sechs Jahren markieren eifrige Nutzer, wo es Sträucher und Bäume zum Abernten gibt. Und die gibt es selbst in Prenzlauer Berg. Andie Arndt hilft bei Pflanz- und Ernteaktionen und macht Obsttouren durch den Kiez.

 

Gar nicht versteckt, aber oft übersehen.

Arndt: „Da gibt es den Haselnusshain in der Malmöer Straße neben der Grundschule, den kein Mensch beachtet. Dann haben wir in der Schönfließer Straße einen ganz wunderbaren Maronenbaum. Auch im Mauerpark steht schon ein Mirabellenbaum. Dort habe ich schon geerntet – aber immer allein. Auch an der Prenzlauer Allee stehen ganz viele Mirabellenbäume, gleich beim Bezirksamt.“

 

Es gibt kein herrenloses Obst.

„In Berlin kann man ganz einfach beim Grünflächenamt anrufen und fragen, ob es ein öffentlicher Baum und aberntbar ist. Bäume und Sträucher in Innenhöfen und Kleingarten-Kolonien sind natürlich tabu.“

 

Essbarer Bezirk“, was soll daran gut sein?

„Hätte ich einen Obstbaum vor der Tür würde ich viel häufiger gucken: Braucht der noch Wasser? Essbares fördert die Verbindung zur Natur, etwas, das in Städten oft verloren geht. Kindern lässt sich so besser erklären, dass Obst und Gemüse eben nicht aus dem Supermarkt kommt.

Es gibt gemeinsame Ernteaktionen. Das stärkt Engagement und Gemeinschaftsgefühl in der Nachbarschaft. Ein ganzes Haus könnte zum Beispiel die Patenschaften für einen Baum übernehmen.“

Karte von Bäumen und Sträuchern in Prenzlauer Berg, die sich ernten lassen.    (Screenshot mundraub.org)

 

Szenario Prenzlauer Berg: Was lässt sich wo noch pflanzen?

„An vielen Stellen, wo jetzt Ziersträucher stehen, kann man Sträucher mit essbaren Beeren pflanzen: Brombeeren und Himbeeren. Eigentlich in allen Parks oder an Spielplätzen. Auch Urban Gardening auf Spielplätzen oder Brachen ist gut möglich, dann vor allem Gemüse, aber auch Kirschen, Pflaumensträucher, Holunderbüsche, Äpfel, Birnen. Das zum Beispiel auf dem Nassen Dreieck, die Brache am S-Bahnhof Bornholmer Straße, da ließen sich tolle Dinge machen.“

 

Der Mauerpark.

„Gäbe es die Idee den ganzen Mauerpark als essbare Bezirksfläche auszuweisen: Da kann man dann ganz wilde Gedanken spinnen. Mirabellen, Kirschen, Himbeeren, eigentlich kann man da alles wunderbar pflanzen. “

 

Und an Straßen?

„An der Pappelallee könnte ich mir Äpfel vorstellen, die spät reifen. Wenn dann weniger Fahrradfahrer vorbeikommen, ist die Gefahr geringer, dass jemand getroffen wird. Ziel ist aber ohnehin, dass die Früchte geerntet werden, bevor sie fallen. An viel befahrenen Straßen würden sich vielleicht Kirschen oder Nüsse eignen.

Man muss es immer vom Standort abhängig machen. Ich esse die Mirabellen von der Prenzlauer Allee, würde mir davon aber keinen Vorrat an Marmelade kochen. Der Standort ist wegen der Abgase eigentlich nicht so geeignet.“

 

Hunde-Pisse auf der Tomate, zerbeulte Autodächer, eine Gehirnerschütterung durch den herabfallenden Riesen-Apfel oder Vogelbeeren, die Kinder für lecker halten.

„Die größte Gefahr in Parks würde ich darin sehen, dass die Früchte unreif geerntet werden. Wenn wir von Spielplätzen reden ist es natürlich wichtig, etwas anzupflanzen, was im wahrsten Sinne des Worte für Kinder leicht zu erkennen ist. Man kann die Eberesche essen, aber der Kern ist giftig. Aber Kinder können da nicht so leicht differenzieren.

Ich würde in der Schönhauser Allee jetzt keine Mirabellen pflanzen, denn wenn die ungenutzt vom Baum fallen, dann werden sie matschig und dann haben wir ein Problem mit den Autofahrern. Man muss sich von Ort zu Ort überlegen, wo macht was Sinn und wo kann das Obst wenig Schaden anrichten. Das ist auch der Grund gewesen, warum es immer weniger Obstbäume im öffentlichen Raum gibt: Sie können Autos beschädigen oder jemandem auf den Kopf fallen.

Auch rechtliche Sorgen gibt es. Jemand aus der Verwaltung wird fragen: Was machen wir, wenn jemand erntet und von der Leiter fällt? Das muss man mit bedenken.“

 

Schilder als Hilfe.

„Giftige Pflanzen zu verbannen, würde ich nicht empfehlen, weil sie für einige Tiere auch Nahrung sind. Ich würde empfehlen Schilder aufzustellen, am besten auch in verschiedenen Sprachen. Rot und grün zum Beispiel. Das Problem bei uns Städtern ist oft, dass viele den Bezug zur Natur verloren haben und im Zweifel gar nicht wissen: Was ist das überhaupt? Kann ich das essen?“

 

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Zahlen und Fakten:

Die Initiative Mundraub hat eine Umfrage unter ihren registrierten Nutzern gestartet. 150 haben mitgemacht. Das Ergebnis: Rund 84 Prozent würden den „Essbaren Bezirk“ mit einer Spende unterstützen, knapp zwei Drittel wollen beim Bäumepflanzen helfen, etwa ein Drittel der Befragten regelmäßig gießen und Baumpatenschaften übernehmen. Bei der Ernte wären die allermeisten dabei: 88 Prozent.

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