Die Ankunft des Präsidenten

von Thomas Trappe 22. März 2012

Joachim Gauck kommt in die Kulturbrauerei. Dort sollen Stiftungen ausgezeichnet werden. Doch eigentlich geht es nur um Gauck. Der schweigt – mehr brauchte es auch nicht.

Als Erstes muss Joachim Gauck lernen, dass er keinen Namen mehr hat. Sehr viel Mühe haben sich die Damen und Herren von der Herbert Quandt-Stiftung gegeben, als sie die A4-Blätter auf den Sitzflächen der Stühle erteilten: Kein Titel fehlt, kein akademischer Grad, und sei er noch so ehrenhalber. Nur bei einem steht kein Name, sondern eben nur „Bundespräsident“. Willkommen im Amt, Herr Präsident.

Es war der erste offizielle Berlin-Termin des neuen Staatschefs und ehemaligen Pastors, am heutigen Donnerstag im Palais der Kulturbrauerei. Dort verlieh die Quandt-Stiftung das zweite Mal im Rahmen eines Ideenwettbewerbs Preise an Bürgerstiftungen, die „Brücken bauen zwischen sozialen Milieus“, so der Titel des Ganzen. Gauck wurde als Schirmherr schon eingeladen, als niemand ahnen konnte, dass der mal wirklich Bundespräsident sein, mithin eine Provokation der Opposition Realität werden könnte. Ein Gauck macht sich bei jeder Veranstaltung gut, doch jetzt war er ein Coup. Der neue Bundespräsident bei der Quandt-Stiftung. Glücklicherweise in einer Halle, die es gerade so vermag, Gaucks Aura zu fassen.

 

Schöne Tage

 

Gauck konnte zunächst nicht wissen, dass er seines Namens verlustig gegangen ist. Das Bundespräsidentenschild wurde vor seiner Ankunft dezent beiseite geräumt, während es das Publikum beim Eintritt des eher klein gewachsenen Mannes mit dem leicht teddyhaften Grinsen von den Stühlen hob. Der Name Gauck wurde fortan kaum mehr in den Mund genommen, die Wortreihung „verehrter Bundespräsident“ dafür bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dass hier Stiftungen ausgezeichnet werden sollen und nicht die Ankunft des Messias begangen, das konnte man leicht vergessen. Wahrscheinlich vergaßen es auch die Stiftungen selber, schließlich sitzt da vorne der Präsident. Der Präsident!

So ging es dann weiter. Frau Klatten dankte, dass der Herr Bundespräsident sie „teilhaben“ lasse. Ex-Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio dankte dem Herrn Präsidenten, dass er „unter uns weilt“, was Gauck ja unbedingt zu gönnen ist. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, sprach von der „großen Auszeichnung“ durch die Gaucksche Anwesenheit und versuchte sich an einem abgewandelten Zitat. „Was für ein schöner Donnerstag“, sagte er an Gauck gewandt, der ja ebenfalls nach seiner Wahl am Sonntag die außergewöhnliche Qualität des Sonntags im Allgemeinen und Speziellen würdigte. Bei Gauck klang das rührend, jetzt hier klang es so banal, wie es ist. Das sagt viel über Gauck, wenig über den Satz.

 

„Zehn kleine Negerlein“

 

Di Fabio redete dann in seiner Laudatio viel und bedeutend, die Aufmerksamkeit konnte da schon mal schwinden, einmal ging es um Sauerstoffmasken im Flugzeug als Symbolisierung für die moderne Demokratie und um terminologische Nostalgien und irgendwann war Schluss. Der Moderator der abschließenden Preisverleihung hatte sein Manuskript wohl nicht noch mal gegenlesen lassen und verglich das Ausleseverfahren der Jury mit dem früher beliebten Zählreim „Zehn kleine Negerlein“, aber zu viel Pathos muss ja auch nicht sein. 

Schließlich kamen die Preise: Der erste ging an die Bürger.Stifung.Halle, die Kindern aus Halle die Stadt Halle zeigt und mit anderen Kindern aus Halle zusammenbringt. Und zwei zweite Plätze an die Bürgerstiftung Barnim Uckermark, in der Kinder für soziale Projekte arbeiten, und an die Bürgerstiftung Schaumburg, wo Unternehmer und Arbeitslose ins fruchtbare Gespräch gebracht werden. Es sei außergewöhnlich, dass so viele ostdeutsche Stiftungen unter den Preisträgern sind, wurde betont. Das war dann ein guter Zeitpunkt, den sehr verehrten Bundespräsidenten zu würdigen und überhaupt die gesamte ostdeutsche Staatsspitze.

 

Gauck zerstört die Deko

 

Es ist nicht bekannt, dass Joachim Gauck Probleme mit einem Zuviel an Aufmerksamkeit hat, doch letzten Endes brachte er die sakrale Stimmung dann wenigstens etwas unterhalb des Siedepunktes, in dem er mit einem beherzten Handschlag die Bühnendeko zerstörte. Es passierte, als Gauck seinen Arm schützend um einen Preisträger legte und dabei übersah, dass zwischen Preisträger und Bühnenaufsteller keine Handbreit Platz mehr war. Das Publikum dankte das Zerstörungswerk mit großem Applaus, und Gauck freute sich auch recht gut.

Gesagt hat der Bundespräsident heute übrigens nicht. Manchmal geht’s eben auch ohne Worte.

 

 

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