Das teuerste Außenklo der Stadt

von Thomas Trappe 19. August 2013

In der Winsstraße 59 soll energetisch saniert werden – weiter passiert nicht viel. Sogar die Außentoiletten sollen bleiben. Die Miete steigt trotzdem auf das Vierfache.

Das ist Sanierung mal anders: „Alles, was schlecht ist, bleibt“. Der Mieter, der wie alle anderen im Haus seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, kann in seiner Wohnung Manches präsentieren, was nicht wirklich schön ist. Ganz groß: Die Außentoilette eine halbe Treppe weiter unten und die Duschkammer direkt neben dem Herd. Sonst macht die Wohnung viel her, schöne Dielen finden sich, bestes Altberliner Wohnen. Und jetzt soll saniert werden. Behutsam. Ein wenig zu behutsam: Denn Klo und Dusche bleiben, wo sie sind, außen und in der Küche. So berichtet es der Mieter. Die Miete, die steige trotzdem kräftig: Auf das Vierfache, weit mehr als 1.000 Euro monatlich für etwa 80 Quadratmeter. In der Winsstraße 59 könnte so eines der teuersten Außenklos der Stadt entstehen. Der Mieter, der jetzt noch hier wohnt, kann sich die angekündigte Miete jedenfalls nicht leisten.

Die Winsstraße 59 ist ein herrliches Haus mit einer furchtbaren Fassade. Sie bröckelt, und vor einiger Zeit wurde ein Gerüst aufgestellt, um zu verhindern, dass größere Batzen Passanten erschlagen. Nun schaut es so aus, als müssten die Balkone vorm Abbruch bewahrt werden, was aber gar nicht so sei, wie ein anderer Mieter versichert. Seine Wohnung, in die er bittet, macht dann auch einen weit stabileren Eindruck als das Äußere des Altbaus.Wieder die hohen Wände und die schönen Dielen, und sogar ein richtiges Badezimmer. Rund 120 Quadratmeter ist die Wohnung groß, 700 Euro warm kostet sie bisher pro Monat. Auch hier soll kaum was verändert werden, außer die Energiebilanz. Die angekündigte Mietsteigerung: 300 Prozent. Knapp 2.000 Euro würden fällig werden. Auch hier hieße es für die Familie, dass sie sich eine neue Wohnung suchen müsste. So geht es nahezu allen 20 Mietparteien im Haus.

 

Stuckdecken werden verdeckt

 

Der Familienvater aus der 120-Quadratmeterwohnung zeigt die Modernisierungsankündigung, die ihm und den anderen Mietern vor Monaten zukam. Von Balkonanbauten ist unter anderem die Rede und einem Aufzug – die daraus resultierenden Mietsteigerungen sind überschaubar. Richtig teuer wird es allerdings durch die Innendämmung in dem Haus und den Einbau einer Lüftungsanlage. Die Innendämmung ermöglicht den Erhalt der Fassade, ist aber wesentlich teurer als eine Außendämmung. Die Entlüftungsanlage dient der Vermeidung von Schimmel, der in extrem abgedichteten Räumen schnell entstehen kann. Für die Anlage sollen Zwischendecken in die Räume eingezogen werden. „Die Stuckdecken sind dann nicht mehr zu sehen.“

Die Mieter des Hauses wissen, dass sie „in einem Niedrigmietbiotop leben“. Dass das Haus saniert werden muss und dafür auch mehr Miete fällig wird, akzeptieren die meisten. „Aber eine Mietsteigerung in diesem Ausmaß kann nicht gerechtfertigt sein.“ Vor allem bei den Mietern mit Außentoiletten verursacht das Vorhaben ungläubiges Staunen. „Kein Mensch kann mir erzählen, dass der Eigentümer wirklich glaubt, eine Wohnung ohne Bad für 1.200 Euro vermieten zu können“, sagt ein Bewohner. Er ist sicher, dass Bestandsmieter aus dem Haus getrieben werden sollen. „Neuen Mietern kann man dann anbieten, bei der Gestaltung eines neuen Bades mitzuentscheiden.“

 

Eigentümer: Mietanpassung überfällig

 

Eigentümer des Hauses ist die Christmann Unternehmensgruppe. Eine Sprecherin bestätigte, dass die Mieten erhöht werden – allerdings sei dies „nicht nur vor dem Hintergrund der Modernisierung zu sehen, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass die letzte Mieterhöhung vor zwölf Jahren durchgeführt wurde.“ Üblich sei eine Anpassung alle zwei bis drei Jahre. Auf den Einbau von Innenbadezimmern werde verzichtet, da dies zu Grundrissänderungen führen würde. „Mit Rücksicht auf die Mieter, die auf weit kleinere Veränderungen ablehnend reagierten, haben wir bislang von diesen Maßnahmen Abstand genommen. Selbstverständlich würden wir auf den Wunsch nach Innenbadezimmern und -toiletten eingehen, wenn der Mieter das wünscht.“ 

Eine Anwältin der Unternehmensgruppe, wurde weiter erklärt, habe „Mietern individuelle Lösungsansätze vorgeschlagen. Allerdings ging die Resonanz auf dieses Angebot gegen Null.“ Nur ein älterer Mieter habe das Angebot angenommen, ins Erdgeschoss umzuziehen.

 

Mieterverein: „Das ist absurd“

 

Inzwischen ist auch der Berliner Mieterverein mit der Winsstraße 59 befasst. Geschäftsführer Reiner Wild bezeichnet die angekündigte Modernisierung als „eine typische Aufwertungsmaßnahme, die geeignet ist, Mieter zu verdrängen“. Unstrittig sei, dass eine Grundsanierung notwendig sei, „wenn es zum Beispiel um neue Heizungen geht“. Dass trotz Sanierung offenbar Außentoiletten erhalten bleiben sollen, habe er noch nicht erlebt, „das ist absurd“. Es müsste „jetzt im Einzelfall geschaut werden, welche Maßnahmen die Mieter dulden müssen und welche nicht. Die Rechtssprechung ist da leider sehr unübersichtlich.“ 

Mehrere Mieter des Hauses, manche von ihnen leben von Hartz IV, haben inzwischen finanzielle Härte beim Vermieter geltend gemacht. „Es wird wohl auf jeden Fall vor Gericht gehen“, prognostiziert einer. Die Sprecherin des Eigentümers betonte, dass die Anwältin der Unternehmensgruppe „ein großes Sensorium für soziale Fälle hat“. Ob soziale Härtefälle vorliegen, solle „im Einzelfall geprüft werden“.

 

Das Blog der Mietergemeinschaft der Winsstraße findet sich hier.

 

 

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