Wie geht eigentlich Bürgerbeteiligung?

von Juliane Schader 3. März 2014

Muss am Thälmann-Park gebaut werden? In der Pappelallee? Am Mauerpark? Die Bürger wollen mitreden, wenn sich ihr Kiez verändert. Wie das funktionieren kann, wurde am Freitag diskutiert.

Eine Podiumsdiskussion zum Thema Bürgerbeteiligung, und am Podium ist kein Bürger beteiligt – auf die Idee muss man auch erst einmal kommen. Doch genau so sah es aus, als am vergangenen Freitag auf Einladung des Kommunalpolitischen Forums diskutiert wurde, wie Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene gut funktionieren kann. Zum Glück hatten sich die Bürger selbst eingeladen und brachten sich aus dem Publikum in der Debatte ein. An Symbolik fehlte es dem Nachmittag damit schon mal nicht.  

Dabei ist der gute Wille bei den Pankower Politikern durchaus vorhanden, Bürger nicht nur alle fünf Jahre zur Wahl mit einzubeziehen. „Die Frage ist gar nicht, ob wir beteiligen, sondern wann und wie “, meinte Jens-Holger Kirchner (Grüne), Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. Das zu entscheiden sei aber gar nicht so leicht. Derzeit probiere man das einfach aus.

 

Beteiligung als Missverständnis

 

Allerdings dürfe man sich als Bürger nicht zu viel versprechen: „Das Wort ,Beteiligung’ ist ein Missverständnis. Beteiligung heißt nicht: Ich bestimme darüber.“ Besser wäre der Begriff Konsultation. Schließlich treibe eine Bürgerinitiative oft ein ganz persönliches Motiv an, während die Politik die Interessen der Gemeinschaft vertrete.

„Oft verstecken sich Bürgerinitiativen hinter moralisch aufgeladenen Zielen wie Weltfrieden, obwohl sie eigentlich nur gegen mehr Verkehr in der eigenen Straße sind“, so Kirchner. „Da wünsche ich mir mehr Ehrlichkeit.“

Als Beispiel nannte der Stadtrat die Diskussion über die Entwicklung des Thälmann-Areals: Dort treibt die Anwohner laut Kirchner nicht die Sorge um den Erhalt von Grünflächen um. Stattdessen habe sein Amt am meisten Post von Anwohnern erhalten, die fürchten, dass Parkplätze wegfallen und sie ihr Auto bald nicht mehr vor der Tür abstellen können. Die Mehrheit der Menschen in Prenzlauer Berg bewege sich allerdings mittlerweile zu Fuß, per Rad oder mit Bus und Bahn durch die Stadt, so Kirchner. „Die Interessen dieser Mehrheit müssen wir als Politik auch vertreten.“

 

„Nicht der gottgegebene Vertreter des Gemeinwohls“

 

Hier allerdings stieß der Stadtrat auf Widerspruch. „Die Politik ist nicht der gottgegebene Vertreter des Gemeinwohls“, meinte Michail Nelken (Linke), Kirchners Amtsvorgänger und Bezirksverordneter in Pankow. „Bürgerbeteiligung ist nicht nur Vermitteln und Aufklären, sondern auch, die Ideen der Bürger mit einzubeziehen.“ Dafür müsse die Politik sie aber ernst nehmen und nicht ihrerseits Themen moralisch aufladen, ganz nach dem Motto: Wenn Du gegen diese Veränderung bist, dann bist Du gegen etwas Gutes. „Man muss die Meinungen anerkennen und Argumente ins Feld führen“, so Nelken.

Das war das Stichwort für die Vertreter der Anwohnerinitiative (AI) Thälmann-Park, die im Publikum saßen. „Ein Interessenausgleich setzt voraus, dass alle Interessen gleichwertig behandelt werden“. erklärte Günter Hahn. Den Eindruck habe er derzeit aber nicht.

„Wir haben doch auch Erfahrungen und Kenntnisse – die bekommen sie kostenlos“, meinte ein anderes Mitglied der AI. Wirklich willkommen sei das Engagement der Anwohner aber nur, wenn sie die Pflege des Parks übernähmen und dort Büsche beschnitten und Müll sammelten.

 

Beteiligung als Diktatur der Eliten

 

Ein weiterer Besucher hatte ganz andere Sorgen: Bei Prozessen der Bürgerbeteiligung kämen oft nur die Lauten zu Wort. Die Interessen der Leisen, etwa von Kindern und Alten, blieben hingegen oft unberücksichtigt. Wie der Bezirk denn damit umginge?

„Beteiligung ist oft die Diktatur der Eliten. Denn nur, wer Zeit und Geld hat, ist kampagnenfähig“, sagte Kirchner. Dieses Problems sei man sich aber durchaus bewusst. Bewährt habe ich sich, Anwohner direkt anzuschreiben oder Pläne öffentlich auszulegen so wie zuletzt beim Thälmann-Areal geschehen. Dann könnten sich auch die Leisen individuell zu Wort melden. Das sei aber aufwendig und brauche Zeit.

„Den Bürgerinitiativen zu unterstellen, sie seien nur von Eliten geführt, ist Denunziation“, meinte hingegen Nelken. Vielmehr sei es Aufgabe der Initiativen selbst, auch die Nachbarn mitzunehmen, die lieber im Hintergrund für alle Tee kochten, als an vorderster Front mit den Politikern zu diskutieren.

 

Dass nichts passiert, ist auch keine Lösung

 

Allerdings räumte auch der Linken-Politiker ein, dass es Grenzen der Beteiligung gebe. „Die Anwohner können nicht bestimmen, was gebaut wird. Es gibt ein Baurecht, an das sich die Politik halten muss“, sagte er.

Am Ende waren sich Podium und Publikum einig, dass man für eine gelungene Bürgerbeteiligung mehr miteinander reden müsse, und zwar auf Augenhöhe. Zudem müssten sich alle Beteiligten kompromissbereit sein. „Der kleinste gemeinsame Nenner ist oft, dass gar nichts passiert“, so Stadtrat Kirchner. „Aber das ist keine Lösung.“

 

 

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