Grüne gegen Bürgerentscheid zur Kastanienallee

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 2. Dezember 2010

Die Grünen sind in der Zwickmühle, seitdem gegen den Umbau der Szenestraße wieder Unterschriften gesammelt werden. Sie wollen die empörten Bürger lieber mit der Umgestaltung versöhnen.

Die Grünen in Prenzlauer Berg sprechen sich gegen einen verbindlichen Bürgerentscheid über den Umbau der Kastanienallee aus. Ein solches Verfahren sei „wenig hilfreich“, sagte Stefanie Remlinger, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Pankow, den Prenzlauer Berg Nachrichten. Vertreter von Bürgerinitiativen hatten am Mittwoch beim Bezirksamt Pankow ein Bürgerbegehren angemeldet, um die Bauarbeiten in letzter Minute zu stoppen.

Die Grünen seien jedoch bereit, das bereits abgeschlossene Planungsverfahren wieder aufzurollen. „Offensichtlich ist der Kommunikationsprozess noch nicht abgeschlossen“, räumte Remlinger ein. Sie bestätigte, dass es dazu Gespräche zwischen den Grünen und den Bürgerinitiativen gibt. An einem Treffen am Donnerstagabend nahm demnach auch der umstrittene grüne Tiefbaustadtrat Jens-Holger Kirchner teil, auf den sich in den vergangenen Wochen der Unmut der Umbau-Gegner konzentriert hatte. Remlinger sagte, die Grünen strebten einen Kompromiss mit den Bürgerinitiativen an. Dieser solle dann im Rahmen einer „Einwohnerbefragung“ den Anwohnern des Kiezes rund um die Kastanienallee vorgelegt werden. Im Unterschied zu einem Bürgerbegehren wäre eine solche Befragung rechtlich nicht bindend.

Für die Grünen dürfte es allerdings schwierig werden, überhaupt einen Kompromiss mit den Gegnern der jetzigen Planungen zu finden. Denn die Bürgerinitiativen unterscheiden sich in ihren Zielen. „Der Charakter der Kastanienallee soll erhalten werden. Sie soll nicht so aussehen wie eine Straße in Hamburg oder Stuttgart“, sagte Matthias Aberle, Sprecher der Bürgerinitiative Kastanienallee, der an der Einreichung des Bürgerbegehrens beteiligt war. Dementsprechend formuliert ist auch die Fragestellung, die beim Bezirksamt eingereicht wurde: „Sind Sie für einen sofortigen Stopp des Umbaus der Kastanienallee (zwischen Schönhauser Allee und Schwedter Straße) nach dem Plänen des Bezirksamts, die die parkenden Autos auf die jetzigen Bürgersteige verlegt, die Gehwege schmaler und die Fahrbahn breiter macht?“

Demgegenüber sperren sich nicht alle Gegner der vom Bezirksamt vorgelegten Planung generell gegen einen Umbau der Straße, die wegen ihrer ramponierten Bürgersteige als schwer passierbar für Rollstuhlfahrer und ältere Menschen gilt. „Die Frage ist doch eher: Wie wird umgebaut?“, sagte Frank Möller von der Bürgerinitiative „Carambolage“, der bereits vor einem Jahr eine Alternativplanung vorgelegt hat. Möller befürchtet vor allem, dass der Verkehr in der Kastanienallee nach dem Umbau beschleunigt werden könnte – mit allen damit verbundenen negativen Folgen für Fußgänger und Radfahrer. Die Radfahrer würden im Moment den Verkehr eher bremsen, weil der Bereich zwischen den Straßenbahngleisen in der Kastanienallee als Radweg markiert sei. Daran aber stört sich vor allem die BVG, die mit ihren Straßenbahnen schneller durch die Straße fahren will.

Anders als die Bürgerinitiative Kastanienallee hält Möller einen Kompromiss mit dem Bezirksamt für möglich. So könne beispielsweise der Plan, Parkbuchten zu bauen, aufgegeben werden zugunsten einer generellen Absenkung der Bürgersteige. Ein Teil des Bürgersteigs, der so genannte Unterstreifen, könne dann als Ladezone ausgewiesen werden. Die Radfahrer seien dann nicht gezwungen, ständig zwischen parkenden Autos und fahrenden Straßenbahnen hin und her zu manövrieren. Auch die Pläne der Grünen zielen offenbar in diese Richtung: „Über den Unterstreifen sollte noch einmal geredet werden“, sagte Fraktionschefin Remlinger.

Unklar ist, wie sich die jetzige Kompromisssuche und die Einreichung des Bürgerbegehrens auf den Fortgang der Bauarbeiten auswirken werden, die offiziell in dieser Woche begonnen haben.  „Wir erwarten, dass die Bauarbeiten schon jetzt gestoppt werden“, sagte Matthias Aberle. Der Antrag komme nicht zu spät. In ähnlichen Fällen, zum Beispiel beim Volksbegehren gegen die Umbenennung der Kochstraße zur Rudi-Dutschke-Straße in Friedrichshain-Kreuzberg seien auch keine Fakten geschaffen worden, während Unterschriften gesammelt wurden. Stefanie Remlinger dagegen betont, dass zurzeit nur Leitungen verlegt würden und der eigentliche Umbau erst im Frühjahr beginne: „Wir brauchen jetzt einen konzentrierten Diskussionsprozess.“

Doch bis dahin könnten die Gegner des Umbaus schon die notwendigen 8736 Unterschriften von Wahlberechtigten mit Wohnsitz im Bezirk Pankow zusammenbekommen haben. BI-Sprecher Aberle hat daran offenbar keine Zweifel: „Wir haben schon einmal Unterschriften gegen den Umbau gesammelt. Damals haben wir aufgehört, bei 8000 Unterschriften zu zählen. Und die hatten wir innerhalb von drei Monaten gesammelt.“ Die damalige Unterschriftensammlung war noch als Protestappell angelegt gewesen, sie hatte formal nicht ein Bürgerbegehren zum Ziel. Das ist der Grund, warum die Bürgerinitiative jetzt zum zweiten Mal mit einer Unterschriftensammlung beginnen muss. Aberle setzt auch diesmal wieder auf die Hilfe von Geschäftsleuten in der Kastanienallee. Bisher hätten 30 Gewerbetreibende zugesagt, in ihren Läden Listen auszulegen.

Bei den Bürgerinitiativen wird vermutet, dass der Sinneswandel der Grünen, die bisher die Planungen ihres Stadtrats Kirchner unterstützt hatten, mit den Wahlen im kommenden Jahr zu tun hat. Im Wahlkreis rund um die Kastanienallee kandidiert der Fraktionschef der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann. Er soll sich für Gespräche mit den Bürgervertretern eingesetzt haben. Die Grünen wollten vor allem im Wahljahr 2011 nicht als Feinde der Bürgerinitiativen dastehen, heißt aus den Reihen der Umbau-Gegner. Allerdings ist der Einfluss der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung begrenzt, weil SPD und Linkspartei dort die Mehrheit stellen. Und auch Stadtrat Kirchner wird ohne die Unterstützung anderer Bezirksstadträte kaum in der Lage sein, seine eigenen Planungen noch aufzuhalten.

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