Wir sind das Volk

von Juliane Schader 26. November 2010

In Prenzlauer Berg ergreifen die Bürger gerne die Initiative. Egal ob es um die Bebauung des Mauerparks oder den Umbau der Oderberger Straße geht, überall wollen sie mitreden.

Vor den Bagger hat der Prenzlauer Berger die Bürgerinitiative gesetzt. Sobald das Bezirksamt Umbaupläne für eine Straße, einen Platz oder ein Gelände wie den Mauerpark verkündet, sprießen die Initiativen wie Pilze aus dem Boden. Manchmal schließen sich die Anwohner und Gewerbetreibenden zusammen und versuchen mit einer Stimme, Einfluss zu nehmen. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich die Initiativen untereinander nicht grün sind.

Bestes Beispiel dafür sind die Geschehnisse rund um die Baupläne am Mauerpark. Als dieser 1992 entstand, förderte die Allianz Umweltstiftung die Anlage mit 4,5 Millionen Euro, geknüpft an die Bedingung, den Park bis 2010 von derzeit acht auf zehn Hektar zu erweitern. Wird diese Forderung nicht eingehalten, muss das Land Berlin 2,5 Millionen Euro an die Stiftung zurückzahlen. Daher drängt es nun, die Zukunft der Gewerbe- und Brachflächen am Rande des jetzigen Parks, auf der derzeit unter anderem der sonntägliche Flohmarkt stattfindet, zu regeln.

Das Grundstück gehört der Immobilienfirma Vivico, die es an das Land verkaufen will, wenn dieses im Gegenzug die Baugenehmigung für Hochhäuser entlang des Parks erteilt. Gegen diese Bauvorhaben wehren sich die Initiativen – zumindest die meisten.

„Derzeit wird ein Bebauungsplan aufgestellt, gegen den wir aus formellen Grünen jetzt schon Einsprüche sammeln mussten“, sagt Ralf Mark Stockfisch von der „Initiative Mauerpark Fertigstellen“. Seit zwei Jahren kämpft sie dafür, dass die bisherige Brache zur Grünfläche wird. Ende Oktober habe man sogar die „Mauerpark Stiftung Welt-Bürger-Park“ gegründet, um die neun Millionen Euro zu sammeln, die für den Erwerb der Fläche nötig sind. „Wir wollen, dass der Mauerpark vergrößert wird, und zwar als unbebaute reine Gründfläche.“

Ähnliche Standpunkte vertreten auch die „Anliegerinitiative Marthashof“ und der „Bürgerverein Gleimviertel“. Nur die „Freunde des Mauerparks“ sind einfach nur froh, dass überhaupt endlich etwas passiert und begrüßen auch die Bebauung. Denn so vielfältig wie die Meinung der Bürger sind auch die Standpunkte der Initiativen, die versuchen, auf die politischen Entscheidungsprozesse des Bezirksamtes Einfluss zu nehmen.

Ein Problem, mit dem auch das „Bürger-Initiativen-Netzwerk Berlin“ (BIN) zu kämpfen hat. Knapp zwanzig BIs haben sich darin zusammengeschlossen, gut die Hälfte davon mit Sitz im Prenzlauer Berg. „Wir wollen uns untereinander vernetzten, uns austauschen und gegenseitig etwa bei juristischen Fragen helfen“, sagt erklärt Ralf Mark Stockfisch, dessen „Initiative Mauerpark Fertigstellen“ Teil des Netzwerkes ist. Bisher seien sich die einzelnen Initiativen aber nicht einmal einig, ob das Netzwerk gemeinsame Positionen nach außen hin vertreten solle oder einfach als interne Organisations-Hilfe fungiere. „Die Diskussion darüber läuft noch.“

Ebenfalls Mitglied des Netzwerks und eine der BIs mit der längsten Vergangenheit ist der Anwohnerverein „Leute am Teute“. Vor drei Jahren ging sie aus der Anfang der 1990er Jahre gegründeten und nach ihrem Interessensraum benannten „Bürgerinitiative Teutoburger Platz“ hervor. Das Anliegen der Mitglieder damals war die Renaturierung des asphaltierten Platzes, die mittlerweile abgeschlossen ist. „Heute treffen wir uns fünfmal im Jahr, um den Rasen zu mähen und die Beete zu pflegen“, erzählt Vereinsmitglied Klaus Höpner. Zudem organisiere der Verein die Vermietung des in Eigenregie instand gesetzten Platzhauses sowie Veranstaltungen für Kinder wie Bastelnachmittage oder ein Halloweenfest. „Uns geht es darum, Nachbarschaftspflege zu betreiben und die Menschen mit einzubeziehen.“ 30 Mitglieder bemühen sich darum derzeit.

Noch nicht so abgeklärt wie am Teutoburger Platz, aber auch schon einen Schritt weiter als am Mauerpark ist man derzeit an der Oderberger Straße. Dort entstand vor drei Jahren eine nach der Straße benannte BI, die sich gegen die Umgestaltungspläne des Bezirks und die damit verbundenen Baumfällungen sowie die Entfernung von Hochbeeten und Pflanzenkübeln richtete. Man konterte mit einem eignen Plan, nach dem 90 Prozent der vorhandenen Bäume und Pflanzen erhalten bleiben sollten. Letztendlich wurde ein Kompromiss gefunden, der die Wünsche der Bürger berücksichtigte. Im Sommer begannen die Bauarbeiten.

„So wie es gerade läuft, ist es optimal“, meint Initiativen-Mitglied Oskar Neumann. Man sei in ständigem Kontakt mit dem Auftraggeber, und sobald ein Bauarbeiter etwa Hand an eine der historischen Straßenlaternen lege, auf deren Erhalt die BI bestand, klingele bei ihm im Minutentakt das Telefon. „Die Kommunikation untereinander und auch mit dem Bezirk funktioniert.“

Drei Jahre lang werden die Bauarbeiten an der Oderberger Straße dauern. Doch auch danach will die BI weiterarbeiten. „Aktuell koordinieren wir die Pflanzenpartnerschaften, mit denen die Begrünung der Beete und Kübel nach der Fertigstellung sichergestellt werden soll“, erzählt Neumann. Zudem sei mit der Diskussion um die Offenhaltung des Hirschhofes ein neues Thema aufgetaucht, bei dem die Anwohner gerne mitreden möchten. „Wir engagieren uns weiter.“

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