Brandbrief: Bezirke fordern mehr Geld für Jugendarbeit

von Juliane Schader 28. November 2012

Die Jugendarbeit in den Bezirken steht vor dem Kollaps. In einem Brandbrief fordern nun Politiker aus elf Bezirken mehr Geld und Personal vom Senat.

Die Berliner Bezirke können nicht mehr. Nachdem sie jahrelang das strikte Sparprogramm befolgt haben, das der Senat ihnen verordnet hat, stehen sie nun vor dem Kollaps. Jüngstes Beispiel: Die Kinder- und Jugendarbeit. In einem Brandbrief (komplettes Dokument unten zum Download) fordern nun die Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse von elf Berliner Bezirken, das Kürzen sein zu lassen und wieder mehr Personal einzustellen. Auch Torsten Winschnewski-Ruschin (Grüne) vom Pankower Ausschuss gehört zu den Unterzeichnern des Briefs, der an die Senatoren für Finanzen und Jugend sowie die Mitglieder des Abgeordnetenhauses adressiert ist.

 

Mehr Kinder, weniger Infrastruktur für sie

 

Zum einen wird die finanzielle Ausstattung für die Kinder- und Jugendarbeit angeprangert. Seit 2008 würden es Jahr für Jahr zwischen vier und sieben Millionen Euro weniger. Das habe zur Folge, dass ganze Einrichtungen auf Dauer geschlossen und die bezirkliche Infrastruktur immer weiter ausgedünnt werden, obwohl angesichts der steigenden Kinderzahlen eigentlich ein Ausbau des Angebots angesagt sei. Bei der Fixierung aufs Sparen werde die bildungs- und sozialpolitische Wirkung der Kinder- und Jugendarbeit sowie die gesetzliche Aufgabe zur Förderung außer Acht gelassen. Daher fordern die Ausschussvorsitzenden ein Moratorium, das den Abbau bis auf weiteres stoppt. Für das kommende Jahr bitten sie um ein Budget wie 2011, gekoppelt an die Verpflichtung, das Geld auch in die Jugendarbeit zu investieren. Bislang können die Bezirke, die in allen Fachbereichen mit knappen Finanzen zu kämpfen haben, die Verteilung des Haushaltsgeldes auf die unterschiedlichen Ämter selbst regeln.

Zum anderen kritisieren die Bezirkspolitiker den chronischen Personalmangel in den Jugendämtern. Auf einen Mitarbeiter des Regionalen Sozialpädagogischen Dienstes kämen derzeit mehr als 90 Fälle, heißt es. Der Richtwert seien 60 Fälle. „Die schwer verletzten und toten Kinder, die wir in den vergangenen Jahren zu beklagen hatten, lassen Untätigkeit nicht zu“, schreiben die Unterzeichner. Daher solle das Abgeordnetenhaus eine Mindestpersonalausstattung vorschreiben. Bislang leiden auch die Jugendämter darunter, dass der Senat vom Bezirk den Abbau von Personal fordert – zuletzt noch einmal insgesamt knapp 1500 Stellen bis 2016. Von diesen Kürzungen sind alle Ämter betroffen, ungeachtet ihrer Arbeitsbelastung und der Dringlichkeit ihrer Aufgaben.

 

Kürzen, bis nichts mehr da ist

 

„In Pankow wurde sich bisher erfolgreich und parteiübergreifend getragen gegen den totalen Kahlschlag gestellt“, meint Torsten Wischnewski-Ruschin, Vorsitzender des Pankower Jugendhilfeausschusses. Angesichts der bestehenden Sparspirale sorge er sich aber um die Zukunft. „Wir kürzen, bis irgendwann nichts mehr da ist – und das kann man sich bei etwas so wichtigem wie der Jugendarbeit nicht erlauben.“ Da nun erstmals seit der Bezirksfusion 2001 Bezirkspolitiker gemeinsam einen Brandbrief verfasst hätten, hofft Wischnewski-Ruschin, dass dieser nicht ohne Wirkung blieben wird.

Bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft stößt er tatsächlich auf eine gewissen Sympathie. Allerdings wird die Schuld an der derzeitigen Situation eher bei den Bezirken selbst gesucht. „Es gab in der Vergangenheit intensive Bestrebungen, die darauf zielten, verbindliche Regelungen für eine standardgerechte Finanzierung und Ausstattung der Bezirke mit Angeboten der Jugendarbeit sicherzustellen“, heißt es in einer Stellungsnahme. Diese seien aber unter anderem daran gescheitert, dass die Bezirke sich nicht vom Senat hätten vorschreiben lassen wollen, wie sie die Anfang des Jahres zugewiesene Globalsumme im einzelnen verwendeten. „Die Bezirke führen ihre Verhandlungen mit der Senatsverwaltung für Finanzen bilateral in eigener Budget-, Personal- und natürlich Fachverantwortung. Sie tragen die Verantwortung für die Umsetzung von Personal- und Organisationsstandards.“ In Zukunft wolle man sich da aber im Sinne des Kinderschutzes mehr einbringen. Von mehr Geld oder Personal ist gar nicht erst die Rede.

Die Pankower Jugendstadträtin Christine Keil (Linke) begrüßt das bezirksübergreifende Engagement der Jugendhilfeausschüsse: „Der angesprochene Bedarf ist da, und es ist gut, wenn sich die Bezirke nun solidarisch zeigen“, meint sie. „Ich denke, das wird noch einmal eine Diskussion anstoßen.“

 

Dieser Artikel wurde am 29. November um die Stellungnahme von Christine Keil ergänzt. 

 

 

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