Wohnraum: Außenbezirke keine Alternative

von Thomas Trappe 18. Februar 2013

Der grüne Stadtentwicklungs-Stadtrat berät mit seiner Partei, wie Wohnen und Gewerbe im Bezirk entwickelt werden sollen. Potential gibt es in Prenzlauer Berg. Die Gewerbeverdängung macht ratlos.

So viel vorweg: Neue Verbote stehen nicht zur Debatte. Nicht selbstverständlich, betrachtet man die jüngsten Maßnahmen des grünen Bezirksstadtrats für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner. Luxusverbot und Ferienwohnungsverbot waren zwei Maßnahmen, die Kirchner zuletzt bundesweit Aufmerksamkeit brachten. Die Grünen-Fraktion brachte zudem ein Gastronomieverbot in die Diskussion. Stadtentwicklung ist das Thema, bei dem sich Pankows Grüne als Vorreiter sehen. Nicht zu Unrecht, schließlich finden die Maßnahmen ihres Stadtrats Eingang in die politische Diskussion von Berlin und teilweise auch der ganzen Republik. Als abschreckendes Beispiel oder als Vorbild. Konsequent also, dass die jüngste Kreismitgliederversammlung der Grünen sich damit beschäftigte, wie man sich Stadtentwicklung der kommenden Jahre vorstellt – und dies öffentlich stattfand.

Stadtrat Kirchner machte deutlich, dass er und der Bezirk gar nicht anders könnten, als eigene Ideen zu entwickeln. Da Pankow stärker und schneller als andere Bezirke wächst, tauchten viele Probleme hier auf, bevor sie das Land Berlin überhaupt als drängend wahrnehmen könne. Er verwies auf „Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg, die noch halb leer stehen“, während im Bezirk Pankow die Mittel nicht ausreichten, um neue Schulen zu bauen. Mit einem Wachstum von 16 Prozent in den kommenden 17 Jahren werde laut aktueller Bevölkerungsprognose in Pankow gerechnet – was bedeute, dass bis 2020 rund 25.000 neue Wohnungen gebaut werden müssten. Und einige davon würden in Prenzlauer Berg entstehen, so Kirchner.

 

Baupotenzial: Thälmannpark, Michelangelostraße und Velodrom

 

Pankow ist ein Bezirk mit viel Baupotenzial – vor allem in seinen Außenbereichen, einer Mischung aus Brandenburg und Naturschutzgebiet. Die Idee, sämtlichen Wohnungsbedarf durch Neubau in diesen Gebieten zu befriedigen, sei zwar verlockend, so Kirchner, aber nicht nur aus grüner Sicht der vollkommen falsche Ansatz. Landschaft würde versiegelt, das Verkehrsaufkommen erhöht, die Infrastruktur überlastet, und zudem die Artenvielfalt bedroht. Zwar heißt das nicht, dass in Stadtteilen wie Buch und Französisch-Buchholz nicht gebaut werden soll – es heißt aber auch, dass in Prenzlauer Berg eine weitere Verdichtung stattfinden wird.

Das Bezirksamt hat sich dazu in der Vergangenheit mit dem Land auseinandergesetzt. Heraus kam eine Pankower Karte, in der Baupotenzialflächen ausgewiesen sind – laut Kirchner hat der Bezirk hier in der Regel das letzte Wort. In Prenzlauer Berg ist die Fläche um den Thälmann-Park eines der größten noch zu entwickelnden Areale. Außerdem das Gelände am alten Rangierbahnhof Greifswalder Straße (rund 450 Wohneinheiten), die bis jetzt noch mit Parkplätzen versehene Michelangelostraße (rund 500) und zudem der Parkplatz am Velodrom. „Bei der Ausweisung von Baupotenzial werden allerdings nur Projekte mir mehr als hundert Wohneinheiten erfasst“, machte Kirchner klar. Was auch heißt, dass Bauvorhaben mit weniger Wohnungen außerhalb der Bedarfsplanung, also zusätzlich, stattfinden.

 

Verdichtung im Kollwitzkiez unerwünscht, aber möglich 

 

Cornelius Bechtler, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV), fasste die Zielsetzungen der Pankower Grünen wie folgt zusammen: Zwar gebe es in Prenzlauer Berg noch hohes Verdichtungspotenzial, das die Grünen jedoch nicht ausgeschöpft sehen wollten. „Die Berliner Bauordnung lässt selbst im Kollwitzkiez noch zusätzliche Bebauung zu. Da müssen wir als Bezirk Grenzen setzen.“ Auch die Frage, wie viele Hochhäuser, zum Beispiel im Thälmannpark und an der Greifswalder Straße, erwünscht seien, müsse behandelt werden. Einig sind sich die Grünen, dass beim Wohnungsbau Genossenschaften, Wohnungsgesellschaften und privaten Baugruppen Vorrang eingeräumt werden soll. Und auch, dass Supermärkte mit übergroßen Parkplätzen keine Baugenehmigung mehr in Prenzlauer Berg bekommen sollen.

Bei den Planungen für Baupotenzialflächen will Kirchner offenbar auf Konfrontationskurs mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gehen. Dort würden Kleingartenanlagen, vor allem innerstädtische, als „hervorragendes Bauland“ gesehen. Er sei für den Erhalt der Kleingärten, auch und gerade jener in Prenzlauer Berg, wofür er die Unterstützung der BVV hat. Ein Grünen-Mitglied machte dabei seine Bedenken deutlich, dass abgeschirmte Kleingartenanlagen im an Grünflächen armen Innenstadtbereich vielleicht nicht mehr lange vermittelbar seien. Kirchner setzt dabei auf einen „Kulturwandel“ im Kleingartenwesen, sprich mehr Offenheit seitens der Schreber für externe Besucher.

 

„Ratlos“ bei der Gewerbe-Not

 

Christiane Heydenreich, Prenzlauer Berger Unternehmerin und Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der BVV, warnte eindringlich davor, sich zu sehr auf das Themenfeld Wohnen zu fokussieren und darüber die Gewerbetreibenden zu vergessen. „Die Grünen werden sich spätestens im Wahlkampf fragen lassen müssen, ob sie mehr als einen idyllischen Wohnpark Prenzlauer Berg wollen mit zwitschernden Vögeln auf den Bäumen“, sagte sie. Für Heydenreich ist die Verdrängung des Gewerbes durch Wohnraum eines der drängendsten Probleme im Süden des Bezirks. „Damit wird langfristig die Lebendigkeit Prenzlauer Bergs schwinden.“

Tatsächlich bereitet die Verdrängung Stadtrat Kirchner Sorgen. Leider gebe es in Prenzlauer Berg nur die Möglichkeit, die Umnutzung von Wohnraum in Gewerbe zu verbieten – das Problem bestehe aber in entgegengesetzter Richtung. Kirchner verwies auf ein Gewerbehaus in der Greifswalder Straße, das gerade großteils in Wohnraum umgewandelt wird. „Wir stehen etwas ratlos vor dieser Tendenz“, so Kirchner. „Und haben bisher keine Handhabe dagegen.“

 

In einer ersten Version des Textes stand eine falsche Angabe zur Bevölkerungs-Wachstumsprognose. Der Fehler wurde korrigiert.

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