Angst-Raum: Aus für Kieztreff am Helmholtzplatz

von Thomas Trappe 1. Dezember 2014

Zum Jahresende ist Schluss, jetzt wird ein neuer Betreiber gesucht. Der Bezirk begründet das mit Nutzungskonflikten: Anwohner fürchteten sich vor dem Platz, es brauche eine Neukonzeption.

Drei Monate Kündigungsfrist sind, nutzt man eine Immobilie bereits seit zwölf Jahren, ohnehin ein reichlich kurz bemessener Zeitraum, die Sache mit dem Briefkasten hat das Ganze dann noch mal verschärft. Der Förderverein Helmholtzplatz ist der Betreiber des Platzhauses am Helmholtzplatz und seine Post bekommt er in einen Kasten im Eliashof, der allerdings von einer Grundschule genutzt wird. Was dazu führt, dass abends und zu Ferienzeiten kein Zugang besteht und so die Post nur alle zehn Tage gebündelt abgeholt wird. Im Bündel Mitte Oktober fand sich dann ein besonderer Brief, datiert vom 24. September, und der hatte es in sich, berichtet Jörg Lampe, Vorstand des Fördervereins. Das Bezirksamt, hieß es in dem der Redaktion vorliegenden Schreiben, kündigte darin den Nutzungsvertrag für das Haus. „Das kam ohne jede Vorankündigung“, sagt Lampe, nicht mal befürchtet oder geahnt habe man etwas in dieser Richtung. Und nun, sechs Wochen später, weiß er immer noch nicht recht, was das Ganze soll. Nur, dass das Haus seines Vereins nach Ansicht des Bezirksamts offenbar Teil des Problems „Angstraum Helmholtzplatz“ ist.

Früher war das Haus ein runtergeranztes Klo. 1998, damals atmete der Platz noch den Charme des Problemkiezes, wurde das Klohäuschen an die Kulturinitiative Förderband, ein Zusammenschluss Ost-Berliner Künstler und Kulturschaffender, übergeben, diese sollte mit Unterstützung des Landes und durch Sponsoren das Haus wieder herrichten. 2000 wurde es eröffnet, der Hinweis, dass es sich um ein drogen- und alkoholfreies Haus handle, war fortan ein sehr deutlich kommunizierter. Und machte deutlich, was Sinn und Zweck des Hauses sein sollte: Ein Begegnungsort für Initiativen und Anwohner, ein Veranstaltungsort, der das Zusammenleben im Kiez fördern sollte und ihm mehr Lebensqualität verleihen. Die Zielstellung änderte sich auch nicht, als im Zuge der Ernennung des Helmholtzkiezes zum Sanierungsgebiet die Immobilie vor zwölf Jahren an den Förderverein Helmholtzplatz übergeben wurde. Nur scheint man inzwischen im Bezirksamt etwas unzufrieden mit der Wirkkraft des Hauses, wie aus dem knappen, aber doch deutlichen Kündigungsschreiben hervorgeht. 

 

Polizei berichtet von mehr Übergriffen

 

„Wie Ihnen sicherlich nicht entgangen sein wird“, schreibt der für Stadtentwicklung zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), „haben sich der Helmholtzplatz und die schon immer existierenden Nutzungskonflikte im Laufe der vergangenen zehn Jahre verändert“. Kirchner spielt damit offenbar darauf an, dass sich durch die Sanierung die soziale Zusammensetzung in den Häusern um den Platz (in Richtung gehobene Mittelschicht) verändert hat, die auf dem Platz (Trinker) eher in eine entgegengesetzte. „Um dem Rechnung zu tragen, ist neben baulichen Veränderungen ein neues Nutzungskonzept für das Platzhaus angedacht.“ Konkreter wird es nicht, wohl auch, weil es tatsächlich noch keine konkreten Pläne gibt. 

Im Vordergrund scheint aber das Ziel zu stehen, den Platz so umzugestalten, dass die Anwohner ihn wieder verstärkt nutzen, was – für alles andere fehlt nach den bisherigen Erfahrungen am Platz die Fantasie – wohl nur dann möglich ist, wenn die Interessen der ganztägigen Platznutzer weniger Toleranz finden als bisher. Stadtrat Kirchner sagt dazu auf Anfrage, dass die Situation sich seit einem Jahr extrem verschärft habe, er beruft sich dabei auf Berichte der Polizei. Aus der weitgehend friedlichen Koexistenz der Trinker (und anderer Dauerbesucher) am Platz sei inzwischen eine zunehmend aggressiver „und sich gegenseitig anfeindende“ Gruppe geworden, mit entsprechender Außenwirkung. Auch gebe es mehr und härtere Übergriffe. „Für Anwohner ist der Platz zum Teil ein Angstraum geworden, den sie meiden“. Es brauche daher dringend eine Umgestaltung des Platzes, „damit sich alle wieder dort wohlfühlen“, sagt Kirchner. Und betont, dass es nicht darum gehe, „irgendjemanden zu verdrängen“. Wie genau eine solche Umgestaltung aussehen könnte, könne und wolle er auch noch nicht sagen. Am heutigen Montag gebe es dazu Beratungen.

 

Stadtrat beklagt Untätigkeit des Vereins

 

Die wird Kirchner wohl mit der Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung (STERN) führen. Die STERN GmbH arbeitet im Auftrag des Landes Berlin und in enger Abstimmung mit dem Bezirk. Sie ist für die Planung von Sanierungsprojekten zuständig und begleitet auch die Entwicklungen am Helmholtzplatz seit vielen Jahren. Derzeit gebe es keine Planungen für das Platzhaus am Helmholtzplatz, erklärte die zuständige Mitarbeiterin auf Anfrage, „nur Maßnahmen zur Ertüchtigung von Spielplätzen“. Man müsse, sagte sie dazu, „aber über die Gestaltung des Mittelbereichs des Helmholtzplatzes nachdenken“. Denkbare Varianten sind dabei, auch wenn sich dazu vorerst niemand äußert, sowohl eine kommerzielle Nutzung des Platzhauses als auch eine sozialpädagogische. Laut Stadtrat Kirchner könnte auch darüber diskutiert werden, „mehr aufsuchende Sozialarbeit zu starten“. Im Zentrum aller Überlegungen stünde die Frage, „wie wir mit den Menschen am Platz umgehen und welche Rolle dabei das Platzhaus spielen kann“. 

Stadtrat Kirchner schreibt in der Kündigung an den Förderverein Helmholtzplatz zum Ende, dass es ein Interessenbekundungsverfahren für die Immobilie geben wird und er sich freuen würde, „wenn auch Sie sich an diesem Verfahren beteiligen würden“. Eine Formulierung, zu der Kirchner auch im Gespräch steht, die aber durchaus etwas schwächer wirkt in Anbetracht seiner offensichtlichen Enttäuschung über die Arbeit des Fördervereins. Seit rund anderthalb Jahren, so Kirchner, sei das Haus schon kein Treffpunkt mehr für Anwohner oder gar ein Kiezzentrum. „Da passiert nichts mehr, die Türen sind zu“, sagt er. Und: „Wir hätten uns sehr gefreut, wenn bei den grassierenden Problemen am Platz uns der Verein als Partner zur Verfügung gestanden hätte.“ Zwar sei nachvollziehbar, dass ehrenamtliche Arbeit immer nur eingeschränkt abrufbar sei, aber sein Amt zahle jährlich 5.500 Euro Betriebskostenzuschüsse an den Träger und erwarte daher, dass dort auch etwas stattfinde. Trotz des Frusts, verspricht Kirchner, werde es aber auch Gespräche mit dem Förderverein geben über eine mögliche weitere Zusammenarbeit.

 

Protestaktion des Trägervereins

 

Der Verein will jetzt gegen seinen Rausschmiss protestieren. Am Wochenende wurde das Platzhaus in schwarze Folie gehüllt, mit weißen Stiften sollen Anwohner ihre Wünsche für die Zukunft des Hauses auftragen. Außerdem soll bis Ende des Jahres eine Umfrage am Platz laufen und Unterschriftenlisten ausgelegt werden für den Weiterbetrieb des Hauses durch den bisherigen Träger. An den Adventssonntagen sollen zudem Gesprächskreise mit Anwohnern abgehalten werden, in denen „ernsthaft und offen über Themen wie die Zukunft des Helmholtzplatzes im gentrifizierten Prenzlauer Berg“ reden, im Mittelpunkt die Frage: „Wer hat Angst vorm Helmholtzplatz?“ Richtig besinnlich wird dieser Advent im Platzhaus wohl kaum. 

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar