„Woran arbeiten Sie denn gerade?“

von Brigitte Preissler 16. Mai 2014

Jungschriftsteller, aufgepasst! Am Sonntag wird der „Literaturpreis Prenzlauer Berg“ verliehen, der schon so manchem unbekannten Autor zu ersten literarischen Ehren verhalf. Zum Beispiel der diesjährigen Jurorin und Suhrkamp-Autorin Svenja Leiber. Uns hat sie erzählt, wie ihr Start ins Schriftstellerleben geklappt hat.

Mal eben so Schriftsteller werden – jawohl, das geht. Zumindest in Prenzlauer Berg. Okay, vielleicht funktioniert es nur, wenn man Svenja Leiber heißt. Ihr Beispiel aber dürfte vielen Schreibneulingen Mut machen. Denn die heutige Suhrkamp-Autorin („Das letzte Land“, Suhrkamp 2014) stolperte quasi aus Versehen, jedenfalls ganz ohne Klinkenputzen und professionelle Selbstvermarktung (dafür war sie immer zu schüchtern), in eine ansehnliche literarische Karriere hinein. Lange Zeit war ihr gar nicht klar, was für ein unwahrscheinliches Glück sie damit hatte. Die 1975 in Hamburg geborene Autorin, die heute in der Winsstraße wohnt, lächelt noch heute fast ein wenig erstaunt, wenn sie erzählt, wie alles anfing.

2003 war das, während ihres Studiums der Literaturwissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte. Damals lebte sie noch in der Danziger Straße, „ohne Geld und ohne Plan“ – dafür mit Kind und krankem Mann. Über eine Freundin, die im Vorjahr mitgemacht hatte, hörte sie zum ersten Mal vom Literaturpreis Prenzlauer Berg. 2001 war dieser kleine, aber feine und mit 1000 Euro dotierte Preis durch den Verein „LiteraturOrt Prenzlauer Berg“ ins Leben gerufen worden.

 

Email mit Folgen

 

Svenja Leiber reichte selbst einen Text ein, wurde eingeladen. Gewann. Die damalige Jurorin und Lektorin Stephanie von Harrach fragte sie nach mehr Erzählungen. Da schrieb sie halt noch welche. 2005 erschienen sie unter dem Titel „Büchsenlicht“ beim Schweizer Ammann Verlag, 2010 folgte der Romanerstling „Schipino“ bei Schöffling. Und eines schönen Tages, im Herbst 2012, fand Svenja Leiber unversehens eine Mail von einem gewissen Lars Claßen in ihrem Postfach. Sie kenne ihn zwar nicht, er sie aber schon, schrieb er. Woran sie denn gerade arbeite.

Svenja Leiber hat die Mail nicht gelöscht. Lars Claßen ist heute ihr Lektor. Gelegentlich sitzt sie mit ihm in der „Marietta“ in der Stargarder Straße, weil man dort rauchen und dabei so schön über neue Texte diskutieren kann. Zum Beispiel über „Das letzte Land“, ihren bei Suhrkamp erschienenen jüngsten Roman über den musikalisch hochbegabten Sohn eines Stellmachers, der im Norden Deutschlands seinen Weg zur Kunst und durch den 2. Weltkrieg finden muss. Besser kann man‘s als Autorin kaum treffen: Gleich um die Ecke, im eigenen Kiez, bei einem der bedeutendsten deutschen Verlage unterzukommen.

 

Der Spielplatz als Literatentreff

 

Es gibt sicher nur wenige Orte in Deutschland, wo Literatenkarrieren innerhalb eines so kleinen Radius möglich sind. Svenja Leiber findet jedenfalls, dass das Viertel nach wie vor eine sehr gute Infrastruktur für Schriftsteller bietet. Sie schätzt den alltäglichen Austausch mit den vielen hier lebenden Autoren, Tilman Rammstedt, Daniela Dröscher, Svealena Kutschke, Verena Rossbacher, man begegnet sich auf dem Spielplatz oder beim Spaziergang. Svenja Leiber beschreibt das als ein anregendes Miteinander, Konkurrenzdruck spüre sie keinen, eher ein freundschaftliches Ratgeben.

„Jungen Autoren würde ich immer empfehlen, an einigen Wettbewerben teilzunehmen,“ sagt sie. Eine gute Gelegenheit bietet da natürlich die alljährliche Verleihung des „Literaturpreis Prenzlauer Berg“, der ja auch den Beginn ihrer eigenen Autorenkarriere markiert; am kommenden Sonntag wird er wieder vergeben. Svenja Leiber wird diesmal in der Jury sitzen und zusammen mit Larissa Boehning und Stefanie de Velasco – ebenfalls zwei Ex-Preisträgerinnen – bis zu drei Siegertexte zum Thema „Widerstand“ auswählen.

 

Eine Öffentlichkeit für Neulinge

 

„Der Literaturpreis Prenzlauer Berg ist ein wunderbarer Einstiegspreis, dessen frühere Preisträger wie z. B. Jan Brandt, Monika Rinck, Larissa Boehning und Sascha Reh inzwischen anerkannten Autorinnen und Autoren sind,“ so Leiber. Während beispielsweise beim Ingeborg-Bachmann-Preis im österreichischen Klagenfurt die Veröffentlichung erster Texte bereits vorausgesetzt wird, und auch die Teilnehmer beim Open Mike der Literaturwerkstatt meist schon erste Erfahrungen im Literaturbetrieb gesammelt haben, finden beim Literaturpreis Prenzlauer Berg selbst gänzlich unbekannte Talente unter 35 eine Öffentlichkeit.

Zum Autorendasein gehören natürlich auch Lesungen, während der diesjährigen Literaturwoche werden bis zum 28. Mai viele bekanntere Schriftsteller ihre jüngsten Werke vorstellen: Peter Wawerzinek liest am Montag aus „Schluckspecht“, der Kameramann Michael Ballhaus stellt am 24. Mai mit „Bilder im Kopf“ die Geschichte seines Lebens vor. Zum ersten Mal wird die Woche diesmal gemeinsam mit dem Festival Berliner Buchnacht gestaltet. Weil dadurch die Kulturbrauerei als zusätzlicher Veranstaltungsort offen steht, könnte das Festival künftig noch an Strahlkraft gewinnen. Nächsten Donnerstag, im Georg Büchner Buchladen, wird es übrigens auch eine Lesung aus „Das letzte Land“ geben: Von Svenja Leiber, Schriftstellerin.

Der Literaturpreis Prenzlauer Berg 2014 wird am Sonntag, den 18. Mai um 15 Uhr im Rahmen der Eröffnungsgala im Palais der Kulturbrauerei verliehen. Weitere Infos sowie das vollständige Programm der Literaturwoche hier. 

 

 

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