Sound of Gentrification

von Juliane Schader 21. November 2013

Vergessen Sie alles, was Sie jemals über Gentrification gehört haben. Hier kommt Gentrification, die großherzige, ökologisch-korrekte Death-Metal-Band! 

Man kann sich ja mal irren. Bisher dachte ich immer, die Gentrification klingt nach Mozart, Vivaldi oder maximal Freejazz, den man sich als Klangteppich unter den fachmännisch dekantierten Rotwein und den optimal durchgereiften Käse legt, welche man in seiner luxuriös sanierten 150-Quadratmeter Altbauwohnung mit Blick auf den Wasserturm nach einem anstrengenden Tag im Ministerium verzehrt.

Doch völlig falsch: Der Sound von Gentrification ist vielleicht so melodisch wie Freejazz, aber mit viel mehr Gitarren und Schlagzeug und, nennen wir es mal so, Geschrei. Freunde von Gentrification lassen sich gerne die Haare lang wachsen, um Teile von ihnen an unvorhersehbaren Stellen wieder abzurasieren, und färben diese sowie Kleidung und Seele zudem völlig schwarz. Und sie machen ständig das mit ihren Fingern, was als Metal-Pommesgabel in die Gestik-Geschichte eingegangen ist.

 

Neue Stilrichtung: Öko-Metal

 

Ja, es sei nun aufgelöst: Gentrification ist nicht nur ein Prozess der Stadtentwicklung, den wir in Prenzlauer Berg seit Jahren beobachten, sondern auch eine Death-Metal-Band. Wovon wir jetzt berichten, weil sie ausgerechnet uns angeschrieben hat, um um Geld zu bitten: Die Jungs und Mädchen möchten nämlich gerne ihr Debüt-Album produzieren, und das – geht es noch hipsteriger? – crowdfunden. Und zwar, es wird immer besser: Um die Produktion besonders öko zu halten.

Bitte was? Ganz recht: Die Death-Metal Band Gentrification möchte, dass bei der Produktion ihres ersten Albums möglichst wenig Plastik und keine mineralölhaltigen Farben zum Einsatz kommen, wie sie im Video zur Crowdfunding-Kampagne erklären. „Wir thematisieren in unseren Texten unter anderem die Ausbeutung von Ressourcen und Zerstörung von Lebensraum“, sagt Sängerin Lena im Pressetext. „Deshalb suchen wir auch bei der CD-Produktion Alternativen, die die Umwelt möglichst wenig belasten.“

Doch das kostet, und zwar ungefähr doppelt so viel wie eine weniger nachhaltige CD. Weshalb nun 444 Euro von der Crowd gesammelt werden sollen, von denen wiederum 90 Prozent für die ökologisch korrekte CD und 10 Prozent für syrische Flüchtlinge gespendet werden sollen.

 

Wie viel Klischee darf’s denn sein?

 

Dieser Death-Metal ist auch nicht mehr das, was er mal war. Vermutlich beißen diese Umweltschützer und Gutmenschen nicht mal mehr Katzenbabys auf der Bühne den Kopf ab, sondern stellen lieber niedliche Videos von ihnen ins Netz.

Weicheier. 

Doch zurück zum Thema und den schönen Prämien, die Gentrification ihren Spendern anbietet. Neben signierten CDs und Drumsticks finden sich „gentrifizierte Bio-Plätzen“ („1 Beutel gentrifizierter Plätzchen, von der Band selbst gebacken – unter Anleitung einer schwangeren Prenzl’bergerin, die aus Süddeutschland hergezogen ist. Alles natürlich mit Bio-Zutaten.“) sowie „Ein Treffen mit der Band auf einen koffeinfreien Soja-Latte Macchiato mit Rohrohrzucker in einem Szenecafé in Berlin Prenzlauer Berg … dabei Diskussionen über das Sterben der Subkultur führen…“.

Wie das Kritisieren der Ökos vom Prenzlauer Berg mit dem gleichzeitigen Nutzen ihrer Werte einhergeht, das soll ihr Dialektiker beantworten. Ich möchte hier schließen mit der Bitte, ausnahmsweise einmal etwas für die Entwicklung der Gentrification zu tun und zu spenden. Denn andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass die ökologisch-korrekte Death-Metal-Band mit dem großen Herzen für syrische Flüchtlinge auch noch anfängt, zu weinen.

Das wäre fürs Image dann wirklich tödlich.

Hörproben gibt es auf der Website der Band.

Gecrowdfundet wird hier.

 

 

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