Kunst an jeder Straßenecke

von Ute Zauft 17. August 2012

Jeden Tag laufen wir an ihnen vorbei: Hier eine Büste, dort eine Skulptur und ein Stück weiter ein plätschernder Brunnen. Es ist Zeit für einen Kunstspaziergang durch den Kiez.

Flächenmäßig ist der Arnswalder Platz im Bötzow-Viertel ja ein recht kleiner Platz, vor allem verglichen mit dem ausladenden Grün des nahen Volkspark Friedrichshain. Umso wuchtiger wirkt deswegen von der Danziger Straße aus der rot schimmernde Brunnen, den zwei kraftstrotzende Stiere gen Ost und West zu verteidigen scheinen: Der „Fruchtbarkeitsbrunnen“ von Hugo Lederer. Den Auftrag für den Brunnen erhielt der in der Weimarer Republik äußerst gefragte Bildhauer 1927 vom Berliner Magistrat. In einem Steinbruch in der Nähe von Rochlitz wurde das monumentale Werk in roten Porphyrgranit gehauen. Viel Pathos und Monumentales stecken in dem Werk, das seinen Ursprung gerade noch in den goldenen Zwanzigern hat. Zu Füßen der gewaltigen Stiere sitzen vier Figuren als klassische Symbole der Fruchtbarkeit: eine Schnitterin mit Ährenbündel, ein Fischer mit Netz, ein Schäfer mit Widder, und eine Mutter mit Kind.

Bis kurz vor Abschluss der Arbeit 1934 gab es allerdings noch keine Entscheidung darüber, wo der Brunnen überhaupt platziert werden sollte. Im Gespräch soll damals auch der Baltenplatz in Berlin-Friedrichshain gewesen sein, doch schnell hat sich dann herausgestellt, dass die tonnenschweren Einzelteile für den dortigen Untergrund und vor allem für die darunter liegenden Versorgungsrohre zu schwer waren. Erst als im November 1933 der Berliner Magistrat entschied, den Arnswalder Platz neu zu gestalten, ward ein standfester Platz für den Kunst-Brocken gefunden.

 

Kunstschau auf dem Weg zum Bürgeramt

 

Entdeckungen der zurückhaltenderen Art können Kunst-Flaneure dagegen auf dem Gelände rund um das Bezirksamt in der Fröbelstraße machen. Nimmt man den Eingang an der Fröbelstraße stößt man rechter Hand zunächst auf die Steinskulptur „Mutter mit Kindern“ von Käthe Kollwitz: Eine Mutter beugt sich schützend oder gar verzweifelt über ihre beiden Kinder – das Bild ist berührend in seiner kompakten Schlichtheit. Die Zeichnerin und Bildhauerin lebte gemeinsam mit ihrem Mann ab 1891 in Prenzlauer Berg bis ihre Wohnung in der Weißenburger Straße (heute Kollwitzstraße) 1943 ausgebomt wurde. In der DDR (und in der BRD) als sozialkritische und das Leiden der Menschen anklagende Künstlerin rezipiert, wurden Käthe Kollwitz im Bezirk mehrere Denkmäler gesetzt. Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass es sich bei der besagten Muttergruppe auf dem Gelände der Fröbelstraße um eine noch von Käthe Kollwitz autorisierte Skulptur handelt. Tatsächlich ist es aber eine Replik, die der Bildhauer Fritz Diederich 1949/50 nach dem Vorbild von Fotos und einem Gipsmodell von Käthe Kollwitz geschaffen hat.

Ein paar Schritte weiter nimmt die „Große Badende“ von Wieland Förster genussvoll langgestreckt ein Bad im imaginären Gewässer. Ein erster Guss dieser Arbeit wurde 1972 bei der Galerie Junge Kunst in Frankfurt Oder – passend zum Sujet der Skulptur – direkt am Oderufer ausgestellt. Die frei in der Luft schwebende große Figur sorgte damals für Aufsehen und Diskussion. „Skulpturen wie die Große Badende steuerten einfach durch ihr Dasein die Kunst in der DDR in Richtungen, die der Obrigkeit nicht geheuer waren“, schrieb der Kunsthistoriker Peter H. Feist 1995 rückblickend. Provokation allein durch den Ausdruck von Daseinsfreude und Hingabe zum Augenblick? Wie hoch die Wellen damals schlugen, lässt sich heute nur schwer rekonstruieren. Wohl aber schlugen sie nicht hoch genug, um der Bronzeskulptur einen ruhigen Standort im Grünen zu verwehren – und hier gibt sich die Genießerin bis heute dem Augenblick hin.

 

Kunst zum Nachfragen

 

Klar ist: Kunst erzählt immer Geschichten der Zeit, aus der sie stammt. Kunst kann aber auch im Hier und Jetzt aufrütteln und zum Nachfragen anregen. Genau das war das Ziel der 1950 geborenen Künstlerin Karla Sachse, als sie an die Wände von Haus 3 auf dem Gelände der Fröbelstraße ihre „fragen!“ warf: wie kalt war die Wand? was fühlte der kahl geschorene Kopf? wer schloss die eiserne Tür? Fragen, die im Vorbeigehen Irritationen auslösen und im besten Fall dazu führen, dass man näher tritt und an einer der aufgestellten Tafeln nachliest, dass der sowjetische Geheimdienst NKWD hier im Keller des Hauses 1945 eine Haftstätte eingerichtet hatte, die nach jetzigen Erkenntnissen bis 1956 bestand. Inhaftiert wurden hier Menschen, die im Verdacht standen, Gegner der sowjetischen Besatzungsordnung beziehungsweise später der Ordnung der DDR zu sein. „Gedenken entsteht aus Denken und Mitgefühl, aus individuellen Antworten – immer wieder neu – und so vielleicht auch auf Fragen, die aus ganz anderen Richtungen kommen“, erklärte Karla Sachse 2004 zu ihrer Installation.

 

Tiere gehen immer

 

Abschließend sei nun noch ein kleiner Exkurs in die leicht verdauliche, bisweilen einfach putzig anzusehende Kunst erlaubt. Kein Künstler ist in Prenzlauer Berg so häufig vertreten wie Stephan Horota. Von den 60er Jahren bis heute haben seine Skulpturen im ganzen Bezirk reißenden Absatz gefunden. Zu sehen sind meist Menschen und Tiere: Kinder unterm Regenschirm an der Ecke Prenzlauer Allee/Danziger Straße, Spielende Bären auf dem Helmholtzplatz, Walrosse auf dem Falkplatz. Künstlerisch wenig spektakulär, aber vielleicht beim nächsten Familienspaziergang für die Jüngeren ein Hingucker.

 

Ein Verzeichnis sämtlicher Kunstwerke im öffentlichen Raum hat Annette Tietz von der Galerie Pankow für das Pakower Amt für Kultur und Bildung zusammengestellt. Im gesamten Bezirk sind es mehr als 300 Werke.


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