Komm in den totgesagten Park

von Brigitte Preissler 3. Juli 2014

Der Geschichte und künftigen Gestaltung des Ernst-Thälmann-Parks widmet sich eine neue Ausstellung im Museum Pankow, die heute Abend eröffnet wird.

Der Thälmann-Park steckt ja voller unterschätzter Sehenswürdigkeiten. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass es hier einen lauschigen Teich mit Amphibienschutzgebiet gibt, in dem sogar Rot- und Gelbwangenschildkröten leben sollen. Auch auf der benachbarten Wiese kann man interessante Spezies beobachten, hier haben sich derzeit zwei junge Künstlerinnen in einem transparenten Zelt häuslich eingerichtet. Eine Art Attraktion ist zweifellos auch die Gaststätte „Zur alten Gaslaterne“ , wo man sich zum Bier ein Schnitzel, einen „Strammen Max“ oder auch einen Krabbencocktail genehmigen kann. 1989 soll übrigens Angela Merkel in diesem Lokal den Mauerfall erlebt haben.

So friedlich die Gegend bisweilen auch wirken mag und so trefflich sich hier ein Stefan George zitieren lässt (vgl. Überschrift): Was dieser verwilderte Park eigentlich ist, was er einmal war, was er werden könnte – darüber wird seit Jahren eine erbitterte Debatte geführt. Eine Ausstellung im Museum Pankow zeigt jetzt, worum es bei diesem Streit konkret geht. Unter deren Machern sind auch drei aus dem Team der Prenzlauer Berg Nachrichten: Die Fotoredaktion für die Schau hat Ann-Kathrin John übernommen, die Medienstationen stammen von Ricki Bornhak und Kuratorin ist Juliane Wiedemeier.

 

Wahrzeichen Prenzlauer Bergs: Die Gasspeicher

 

Gelenkt wird der Blick zunächst auf die Geschichte des Areals, angefangen mit der Entstehung der IV. Städtischen Gasanstalt im Jahre 1873. Ein gutes Jahrhundert lang wurden die Berliner von dieser Industrieanlage am damaligen „Communicationsweg“ – der heutigen Danziger Straße – mit Gas und Koks versorgt. 1981 schloss das Werk, das zu dieser Zeit bereits inmitten eines dicht besiedelten Wohngebiets lag. Nun sollte hier eine moderne Siedlung entstehen, frei von Staub, Ruß und Gasgeruch.

Nur drei Gasspeicher an der Prenzlauer Allee blieben zunächst erhalten; um sie entzündete sich in der Folgezeit ein für die Geschichte der DDR und ihrer entstehenden Oppositionsbewegung höchst symbolträchtiger Streit. Lange Zeit galten die Gebäude als Wahrzeichen Prenzlauer Bergs, es gab Pläne, sie als öffentliche Einrichtungen weiter zu nutzen. Dem sowjetischen Bildhauer Lew Kerbel aber waren sie ein Dorn im Auge; als er sein gewaltiges Ernst-Thälmann-Denkmal für die neu entstehende Wohnanlage entwarf (selbst der extrem verkleinerte Originalentwurf Kerbels, den man in der Schau besichtigen kann, wirkt noch bombastisch), soll er die historischen Gebäude als Konkurrenz empfunden haben. Ihr Abriss war damit beschlossene Sache.  

 

„Dit machen sie nicht mehr lange mit uns“

 

30 Jahre später erzählt die Ausstellung von dem Protest, der sich daraufhin in Prenzlauer Berg formierte: „Gasometer sprengt man nicht!“, fanden viele, oder: „Berlin ohne Gasometer ist wie Bulette ohne Hackepeter!“ In diesem ersten öffentlichen Aufbegehren vieler DDR-Bürger, in den illegalen Flugblättern und Aufklebern, die nun die Runde machten, ganz zu schweigen von der Empörung über die Sprengung der Gasometer am 28. Juli 1984, sieht die Kuratorin die Anfänge jener wachsenden Oppositionbewegung, die 1989 letztendlich das Ende des ganzen Staates herbeiführte. „So, und dit machen sie nicht mehr lange mit uns,“ soll ein Beobachter der Sprengung damals gesagt haben. Mit diesem speziellen Kapitel der Thälmann-Park-Geschichte, der Gasometer-Sprengung, wird sich ab Ende Juli übrigens eine weitere Ausstellung in der „Wabe“ befassen.

Die Schau im Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner macht jetzt schon begreiflich, dass man den Thälmann-Park durchaus als eine Art begehbares Geschichtsbuch zur DDR-Historie verstehen kann. Durch Schautafeln und historische Bildzeugnisse, aber auch durch aktuelle Fotografien von Ann-Kathrin John werden die Erklärtexte wirkungsvoll illustriert. Ein wichtiges Kapitel ist dabei auch der Anfang der 80er Jahre entstehenden Siedlung gewidmet. Sie war das letzte große Wohnungsbauprojekt der DDR; zur Eröffnung am 15. April 1986, einen Tag vor Thälmanns hundertsten Geburtstag, feierte Erich Honecker die Anlage als Aushängeschild sozialistischer Wohnungspolitik, und Michail Gorbatschow legte vor Kerbels frisch enthülltem Denkmal einen Strauß rote Nelken nieder. 

 

Verirrte Ufos zwischen unsanierten Altbauten

 

Die günstig zu mietenden Neubauwohnungen mit Zentralheizung, Müllschlucker, Balkon und Fahrstuhl waren in den folgenden Jahren begehrt – auf uns freilich wirken schon die Rohbauten wie verirrte Ufos, Baustellenfotos aus dem Archivbestand des Museums zeigen den Gegensatz zu den unsanierten Altbauten der Umgebung besonders deutlich. Bis heute sind die Plattenbauten annähernd authentisch erhalten geblieben. Und das wird wohl vorläufig auch so bleiben: Seit Februar 2014 steht ein großer Teil des Areals unter Denkmalschutz.  

Neben der Geschichte des Gaswerks, der Wohnsiedlung und der Zeit des Dornröschenschlafs nach der Wende liegt der Schwerpunkt der Schau jedoch fraglos auf der heutigen Situation. Anhand einer wandfüllenden Grafik des Thälmann-Areals wird im hinteren Teil des Saals erklärt, welche konkreten Positionen innerhalb der aktuellen Debatte aufeinander prallen: Da sind zum einen die Anwohner, die sich mehr Grün für ihr Viertel wünschen; die Grundstückseigentümer sind eher am Wohnungsbau interessiert, während die Politik um Interessenausgleich bemüht ist. Filminterviews, die Ricki Bornhak mit einigen Protagonisten führte, machen die Positionen noch deutlicher. Jeder Besucher kann am Plakat nun mit Aufklebern zeigen, wie er selbst sich das Areal vorstellt und welche Neuerungen er sich an Ort und Stelle wünscht: Einen Spielplatz, ein Kulturzentrum, eine Grünfläche, oder doch lieber mehr Wohnraum? Hat jemand womöglich ein paar ganz neue Ideen für eine zukünftige Gestaltung des Areals? Die hier aufgestellten Bänke sind als explizite Einladung zu verstehen, darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen, und auch der Gegenseite einmal ernsthaft zuzuhören. 

 

Ist Waschbeton hässlich?

 

Wer also bestimmt, was im Thälmann-Park passiert? Was wird aus dem Kulturareal, dem Krankenhaus, dem Bezirksamtsgebäude? Ist die Wohnsiedlung das letzte Bollwerk gegen Gentrifizierung? Soll man die Spuren der DDR-Geschichte erhalten oder das sozialistische Erbe und seine sichtbaren Symbole tilgen, wie es ja bereits mit dem Palast der Republik geschehen ist? Ist der Denkmalschutz nichts weiter als ein Kampfmittel in diesem Streit? Und überhaupt: Ist Waschbeton hässlich?

Die vergleichsweise textreiche Ausstellung fordert explizit dazu auf, über solche Fragen selbst nachzudenken und sich an der Debatte zu beteiligen. Als politische Nachrichtenredakteurin hält sich die Kuratorin in der Sache mit Wertungen zurück, ist in allen Texten um Verständlichkeit und um eine ausgewogene Darstellung der Debatte bemüht. „Polarisierungen bringen gar nichts, da wurde schon genug Öl ins Feuer gegossen,“ so Wiedemeier.

Stimmt: Der Furor, mit dem der Streit um das Areal mitunter geführt wird, macht nur allzu deutlich, wie schwer es auch 25 Jahre nach dem Ende der DDR vielen immer noch fällt, auf ihr parkgewordenes Aushängeschild einen sachlichen Blick jenseits aller Abneigung oder auch Verklärung zu werfen. Hoffen wir also, dass die Gespräche in und über die Ausstellung auch ein Stückweit zur endgültigen Beerdigung solcher alten Reflexe beitragen.

 

Termininfos:

Jetzt wird‘s ernst. Die Vision Thälmann-Park. Eröffnung am heutigen Donnerstag, den 03.07.2014, um 19 Uhr in der Ausstellungshalle des Kultur- und Bildungszentrums Sebastian Haffner, Prenzlauer Allee 227-228. Geöffnet Di-So von 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei.

Gasometer sprengt man nicht. Eröffnung am Montag, den 28.07.2014, um 18 Uhr in der Wabe, Danziger Straße 101, geöffnet Mi-So von 13 bis 19 Uhr (bis 31.8.), Eintritt frei.

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