Bierbike reloaded

von Brigitte Preissler 10. September 2014

Die Prenzlauer Berger Combo „Leather Report“ wird die erste „Band On A Bierbike“ der Musikgeschichte.

Sinnbild bierseliger Prolligkeit, mobiler Quell enthemmten Vatertagsgegröles – all dies und Schlimmeres verkörperte bislang das sogenannte Bierbike. Die Rede ist von  diesen rund fünf Meter langen, über zwei Tonnen schweren Gefährten, auf denen sich anlässlich von Jungesellenabschieden oder Vereinsfeiern ein gutes Dutzend Radelnde zumeist männlichen Geschlechts aus der mitgeführten Zapfanlage einen bzw. mehrere hinter die Binde kippen.

In Städten wie München oder Düsseldorf wurde die Nutzung solcher rollenden Kneipen im Straßenverkehr längst verboten, weil deren Bewohner und die sie vertretenden Ordnungsämter wenig geneigt sind, sich von betrunkenen Pedalisten im Straßenverkehr anpöbeln oder gar in Unfälle verwickeln zu lassen. Auf Facebook entstand die Aktivistengruppe, „Youth Against Bierbikes“. Kurz gesagt: Das Bierbike galt stets als zweifelhaftes, um nicht zu sagen durch und durch fürchterliches Fahrzeug.

Jazz und Funk statt Helene Fischer

Mit diesem schlechten Image will die Prenzlauer Berger Jazz-, Fusion- und Elektro-Band Leather Report jetzt aufräumen: Die vierköpfige Combo ist die erste „Band On A Bierbike“ der Musikgeschichte. Weil die Musiker finden, dass das Mobil bislang „als Entertainment-Format zu einseitig genutzt“ wird, planen sie eine Bierbike-Fahrt durch das touristische Zentrum Berlins, von Unter den Linden zum Brandenburger Tor, vom Reichstag zum Kanzleramt. Unterwegs wollen sie Eigenkompositionen, aber auch den ein oder anderen Gassenhauer zu Gehör bringen: Vor dem Brandenburger Tor zum Beispiel ein verjazztes „Wind of Change“, vor der russischen Botschaft  „Somewhere Over The Rainbow“. Das Ganze soll auf einem Video dokumentiert werden.

Will die an der Mühlenstraße probende Band jetzt also grölend und saufend den Innenstadtverkehr blockieren? Eben nicht, sagt Bandgründer Thomas Lindemann (s. Foto, 2. v. r.). Der 1972 in Hamburg geborene Journalist und Autor der Prenzlauer Berg Nachrichten hat sich gemeinsam mit seiner Frau Julia Heilmann als Verfasser des Bestsellers „Kinderkacke“ (Hoffmann & Campe 2010) und einiger Folgebände (Babybeschiss; Hoffmann & Campe 2011, Alle Eltern können schlafen lernen; Atlantik 2014) einen Namen gemacht. Er meint, dass das geplante „Jazzen auf Rädern“ eine total ernste Sache sei, aus den Lautsprechern würde schließlich nicht Helene Fischer, sondern gehobene Jazz- und Funkmusik erklingen. „Beschallt wird man zwar auch bei uns, aber die Musik ist besser,“ so Lindemann.

Stilecht funkige Arbeitskleidung

Gerade für ein Quartett eigne sich ein Thekenrad zudem ideal als fahrbare Bühne: Auf den üblicherweise vorhandenen vier pedalfreien Sonderplätzen nehmen die Musiker Platz, auf den verbleibenden Tretplätzen dürfen einige zapfende, trinkende und zuhörende Gäste strampeln. Es seien, wie Lindemann auf Anfrage hinzufügt, übrigens durchaus auch weibliche Fahrgäste erwünscht. Die Band werde bei ihrer Tour sogar von einer Art Chearleading-Girlgroup, den „Leatherettes“, begleitet. 

Als Gitarrist Philipp Kohl (im Bild links) bei einer Bandsitzung vor einigen Wochen die Idee mit dem Tresenrad hatte, legte die Band ihren ursprünglichen, seit Jahren gehegten Plan, einmal auf einem Floß auf dem Müggelsee zu musizieren (was aus technischen Gründen bislang fehlschlug), leichten Herzens auf Eis. Denn nicht nur die restlichen Bandmitglieder waren sofort begeistert – auch den Juroren des One Spark Festival gefiel die Idee.

Crowdfunding für das eigene Bierbike

Dieses Festival findet am 12. und 13. September in der Platoon-Kunsthalle am unteren Ende der Schönhauser Allee statt und bietet ein Forum für aufstrebende Bands, Künstler und Designer, die Spenden für neue Projekte sammeln. Als eine von zehn Bands ist auch Leather Report mit dabei, anwesende Gäste können dann für die Band abstimmen. Auf der Homepage des Festivals kann man schon jetzt dem Crowdfunding-Aufruf der Jazzer folgen und Geld spenden – für die anstehende Tour, aber auch für das eigene Bierbike, das Leather Report früher oder später natürlich brauchen. 5000 Euro sollen zusammenkommen. Thomas Lindemann verriet uns übrigens, dass Spenden ab 300 Euro mit einem Privatauftritt der Band vor der Haustür des Gönners belohnt werden. Für 15 Euro gibt es immerhin eine CD.
 
Braucht eine Band wie Leather Report, die sich doch auch musikalisch zu profilieren versteht, solche Marketing-Gags denn wirklich? Lindemann bejaht: „Außer dem öffentlichen Förderweg hat eine kleine Band wie wir sonst kaum eine Chance, an Geld zu kommen. Das Bierbike ist da einfach mal ein anderes Vehikel, um bekannter zu werden und der Stadt unsere Musik zu geben.“

Spezialform des Lastenrads?

 

Warum also auf Fans und Konzertgäste warten, wenn man auch einfach selbst zu den Leuten fahren kann. Genau besehen, passt so ein Tresenrad gerade ins Stadtbild von Prenzlauer Berg doch eigentlich auch gar nicht so schlecht. Mit etwas Phantasie kann man es womöglich als eine Spezialform des kiezweit ohnehin populären Lastenfahrrads holländischer Bauart ansehen. Gerade am Helmholtzplatz würde so ein Bierbike bestimmt überhaupt nicht auffallen.

 

Weitere Informationen zum „One Spark Festival“ am 12. und 13. September in der Platoon Kunsthalle stehen hier.

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