Der Rapper vom Kollwitzplatz

von Thomas Lindemann 18. März 2013

Rap-Battles auf offener Straße und Schlägereien in der Pappelallee: Das ist die Welt von Hiob. Auch wenn Prenzlauer Berg längst nicht mehr Treffpunkt des Berliner Hip-Hops ist, der Rapper mag die Gegend noch immer. Für seine Szene bleibt sie wichtig.

Zwei Männer vor nachtschwarzem Hintergrund. Einer unter weiter Kapuze, vermummt. Der andere mit geballten Fäusten in gespielter Macho-Pose. Gefährlich! Ein Feuer brennt da auch noch. Aber Moment, aus welchem Drachenkopf züngelt es denn da? Richtig, das kennt man: Der Rapper Hiob alias Julius Endler steht hier vor der charakteristischen Mosaik-Schlange auf dem Spielplatz hinter dem Zeiss-Planetarium.

Was könnte ein schöneres Bild für Rap aus Prenzlauzer Berg sein als diese Szene eines Musikvideos von Hiob: Man tut hart, und stellt sich dazu auf den Spielplatz. Die Selbstironie gehört wohl zum Konzept. „Erster Joint auf dem Kollwitzplatz“, oder „auf der Pappelalle drei Zähne verloren“, diese Texte von Hiob lassen sich heute kaum noch ernst nehmen in einer Gegend, die von den manchen Büllerbü genannt wird, wo der Quadratmeter Wohnfläche nicht unter 12 Euro kalt zu mieten ist.

„Drama konkret“, das letzte Album des Prenzlauer-Berg-Rappers, von Ende 2011, war auch schon eine manchmal nostalgische Erinnerung an harte Jugendzeiten. Außerdem sind nun alte Tapes neu erschienen, als Vinyl unter dem Titel „Fragmente“. Ein Video haben die Rapper dazu neu gedreht, das nach wenigen Wochen 50.000 Klicks bekam.

Das ist eine gute Gelegenheit, sich an etwas zu erinnern, was wieder manchen interessiert: Prenzlauer Berg war um die Jahrtausendwende das Zentrum des Berliner Hip-Hops. Das Label Spoken View, das seit Jahren diese Szene integriert, sitzt heute noch in der Grellstraße.

Damit ist es das Relikt einer einst hoch lebendigen Szene. Hip-Hop aus Prenzlauer Berg ist immer noch wichtig – er war aber einmal wegweisend. Im Bastard-Club im Prater gab es Hip-Hop-Partys, an der Ecke Kastanienalle und Oderberger trafen sich Berlins Rapper und Street Artists im H20, das SOS am Helmi war auch wichtig für die Szene. Und rund um die U-Bahn Eberswalder Straße fand man die besten Klamottenläden für Hip-Hop-Stil. „Trauer oder Wut über das Verschwinden der Szene empfinde ich nicht, denn dieser Prozess war sehr, sehr langsam. Er begann eigentlich 1995“, sagt Endler. „Aber von einem Nachtleben in Prenzlauer Berg würde ich nicht mehr sprechen.“

 

Auf der Kastanienalle gegen Sido verloren

 

Das war mal anders. Um 2000 gab es regelmäßig Street Jams auf dem Helmholtzplatz. Und im Mauerpark sowieso immer Battles – also improvisierte Live-Rap-Gefechte. Im Eminem-Film „8 Mile“ kann der interessierte Laie sehen, was das heißt. Im U-Bahnhof Senefelder Platz stand eine Wall of Fame, eine legale Mal-Wand, in der die Writer und Sprüher sich verewigten. Eine lustige Doku auf Youtube zeigt übrigens die Wurzeln dieser Szenen zu Zeiten der Wende.

Gegen Sido hat Hiob auch mal – draußen auf der Kastanienalle – einen Battle geführt, „und verloren“, sagt er und lacht. Der sei damals noch vielseitiger gewesen – heute findet Hiob Sidos Stil etwas zu gleichförmig. Doch genau das ist derzeit erfolgreich. Der deutsche Rap ist gerade wieder im Aufwind. Allerdings in seiner harten (und darin oft etwas albernen) Spielart. Die Rapper Kollegah und Farid Bang standen gerade an der Spitze der Pop-Charts, junge Männer, die gern das F***-Wort für Sex mit Müttern in Verbindung bringen und die allen mit Gewalt drohen – eine Persiflage, womöglich, aber eine etwas unangenehme. Das findet auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

„Die Aggro-Berlin-Ära war schwer für uns, da gab es nur diesen gespielt harten Berlin-Stil. Der passte aber nicht zu uns“, sagt Hiob Das Internet habe alles verändert. Heute finden die Fans sich online zusammen – und dann gibt es auch genug, die Hiob und Morlokk und Sichtbeton und Damion Davis lieben. Die Rapper des Labels Spoken View – aus Prenzlauer Berg.

Die haben allesamt sehr wenig mit hartem Gangsterrap zu tun. Hiob schwört auf Boom-Bap, den amerikanischen Ostküsten-Hip-Hop von Mitte der 90er. Etwa „A Tribe Called Quest“. Musik, die heute leicht wirkt, mit vielen Samples, ohne fette Synthesizer. Musik, die in den USA nie ganz starb, selbst bei Kanye West kann man ihren Einfluss heraushören.

Großgeworden ist Endler am Kollwitzplatz. Sein Vater war der DDR-Dichter Adolf Endler, einer dieser Typen, die man später als unbequem bezeichnete. In der BRD unerwünscht, ging Endler 1955 nach Leipzig. In der DDR kritisierte er wieder die Obrigkeit und wurde aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Die starke Eigenständigkeit mag er an seinen Sohn vererbt haben. Julius Endler rappte erst als „V-Mann“, vom Feiern in der linken Gegenkultur, heute nachdenklicher als Hiob. Dass er bislang in keine Charts kam und auch noch als Handwerker für Museen arbeitet, stört ihn nicht. „Wer von der Musik ganz leben will, muss sich zuviel Auftraggebern oder Trends anpassen. Da verliert man Freiheit.“ Das will er nicht. Und ist er auf Tour, egal ob in Frankfurt oder in der Schweiz, kommen ja immer 300 bis 500 Gäste. Die Szene ist verschworen.

 

Hip-Hop zum Hinhören

 

„Außerhalb Berlins sind wir eigentlich bekannter als hier“, sagt er, und meint sich und den Rapper Morlokk, mit dem er seit Jahren zusammenarbeitet. Trotzdem schätzt er die Gegend noch. Immerhin sei vieles besser geworden. Ärger gab es früher auch mit rechten Skins, die sich etwa in der Gegend rund um den Humannplatz aufhielten. „Als der Wohlstand kam, verschwanden auch die Faschos langsam“, erklärt Hiob. Und so schlecht mag er den Wohlstand in diesem Punkt auch gar nicht finden. Auch wenn der „zur Schau getragene Luxus“ nervt: „Ich finds gut hier, die vielen kleinen Geschäfte gefallen mir, das ist nicht nur eine negative Entwicklung“, sagt Endler.

Hiobs Stimme klingt hell und leicht (man könnte ein wenig an den Schauspieler Florian Lukas denken), er rappt mitunter sehr schnell, wirkt nie bemüht: Das ist eine Variante, die dem deutschen Hip-Hop durchaus fehlt, die im ganzen Land auffallen könnte. Vielleicht ist dazu bald Gelegenheit. Seine neue Platte, die im Herbst erscheinen soll, wird gar keinen Bezug zu Prenzlauer Berg mehr haben. „Kapitalismus jetzt!“ soll sie heißen. Hiob stand, genau wie die anderen Künstler von Spoken View, immer für komplexere Texte. Es ging nicht um Motherfucker, sondern eher um Kritik an der Welt. Wenn sich im Herbst dann alle am stumpfen Gangsterrap sattgehört haben, passt das vielleicht wieder bestens.

Hiobs jüngste CD kann man hier anhören und kaufen. 

 

 

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