Der Investor ist böse

von Thomas Trappe 5. September 2013

Nächste Woche kommt „Harts 5″ in die Kinos: Eine Low-Budget-Produktion aus Prenzlauer Berg, die Gentrifizierungsklischees und klare Fronten mag. Ein paar Gags sind trotzdem gut.

Ein Film leidet, sind seine Protagonisten unscharf konturiert. Der Zuschauer moniert dann, die Protagonisten seien etwas unscharf konturiert oder so. Man kann dem als Filmemacher vorbeugen, indem man einfach vollkommen überzeichnet. Das kann schief gehen, aber auch gut. Julian Tyrasa, der gerade einen Prenzlauer-Berg-Film abgedreht hat, hat gerade noch so die Kurve gekriegt. Sein Film ist brutalst unterkomplex, aber trotzdem ganz lustig anzusehen. Eine Komödie, gefangen im Körper einer Klamotte. Dieser Klamödie kann man es durchgehen lassen, zum einen, weil ihre Macher quasi ohne Geld produziert haben, und zum zweiten, weil sie es vorrangig in Prenzlauer Berg taten. Differenziert, überraschend und überaus geistreich – das alles ist „Harts 5″, nicht. Aber das ist die Olsenbande auch nicht unbedingt, sie ergibt unterhaltungstechnisch trotzdem Sinn. Vor allem, wenn man Kopenhagen mag. 

Der Vergleich haut hin, weil es sich bei „Harts 5 – Geld ist nicht alles“ um eine Gaunerkomödie handelt. Vier mit ihren Lebensträumen weitgehend gescheiterte Prenzlauer Berger fürchten um den Kindergarten, in dem sie sich alle vor sehr vielen Jahren kennenlernten. Der nämlich befindet sich in einem alten Plattenbau, der vom Abriss bedroht ist – ein Investor will dort Town Houses hinsetzen. Die vier Kumpels sind arm, etwas versoffen und nett. Der Investor ist Schwabe und Arschloch. Die Rollenverteilungen sind so unzweideutig wie ein nordkoreanisches Geschichtsbuch, allerdings nicht so kreativ. Aber, wie gesagt, Komplexität ist ja auch nicht immer sinnvoll. Zum Beispiel dann, wenn man Zerstreuung nach der jüngsten Mieterhöhung sucht. Oder am Sonntag nach einer durchsoffenen Nacht. Um die Gestaltung solcher Filmabende hat Julian Tyrasa als lokaler Filmemacher verdient gemacht. Heute Abend hat sein Film „Vorpremiere“ im Babylon in Mitte, ab kommenden Donnerstag läuft er regulär in wenigen Kinos in Berlin und Deutschland. (Trailer rechts neben dem Artikel)

 

Der Filmemacher opferte seine Altersvorsorge

 

Es ist Tyrasas erster Langfilm. Vor 41 Jahren wurde er in Bielefeld geboren, 1999 machte er seinen Abschluss an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Seit 2002 lebt Tyrasa als Autor und Regisseur in Berlin, drehte mehrere Kurzfilme und Dokumentationen, schrieb Theaterstücke. Außerdem ist er Musiker, tourte 2005 mit argentinischem Tango durch Japan. Die Idee zu „Harts 5″ entstand bereits 2010, und von Anfang an stand die Frage im Raum, wer es finanzieren soll. Und wie die Protagonisten seines Films war Tyrasa am Ende auf sich selbst zurückgeworfen. Kredite bekam er nicht, und auch eine Produktionsfirma kam nicht ins Boot. Tyrasa opferte seine private Altersvorsorge, die aber auch nur 5.000 Euro betrug. 

Solch ein Budget ist für ein Filmemacher kein Budget, und so steht die die Vermutung im Raum, dass die immerhin sieben Darsteller nach Tarifvertrag Bangladesch (Ost) bezahlt wurden. Oder eben ein quasi-ehrenamtliches Engagement hinlegten, wobei zu sagen ist, dass es sich bei allen bis auf den Hauptdarsteller um professionelle Schauspieler handelt. Bei den Drehorten war Tyrasa auf freundliche und unentgeltliche Unterstützung angewiesen, unter anderem die der Prenzlauer Berger Kita Schwalbennest und eines Unternehmensberaters. Und die Musik zum Film machte Tyrasa auch gleich mal selbst.

 

Glasklar eine Immobiliensau

 

„Harts 5″ lehnt sich in der Titelgebung an Ocean’s Eleven an, in dem Danny Ocean und elf Kameraden einen Casinoraub planen. Tobias Hart, dem Karaokeclub-Betreiber aus „Harts 5″, geht es nun nicht um das große Geld, sondern um seine Vergangenheit. „Wenn sie die uns auch noch wegnehmen, haben wir wirklich alles verloren“, raunt der gescheiterte Hart den gescheiterten Freunden in seinem verrauchten leeren Club zu, und das ist ja tatsächlich kein dummer Satz. Einer der Freunde wollte Schauspieler werden, im Film bleibt offen, ob er es wenigstens mal auf die Bühne oder doch nur ins Kassenhäuschen des Berliner Ensembles schaffte. Frank strebte mal einen Professorenjob an, er musste aber miterleben, wie seine Doktorarbeit geklaut und von einem anderen zu einem sehr erfolgreichen Erfolgsratgeber verarbeitet wurde. Josef hat es am besten verkraftet, auf Hartz IV zurückgeworfen zu sein: Er erträgt es im Einklang mit der Natur und viel Gemüse. 

Auf der anderen Seite die schwäbelnde Immobiliensau. Dr. Siebold, an dem nun gar nichts nett ist. Über den Plattenbau, den er abreißen zu gedenkt, wundert er sich. „Ja, wohnen da noch Leute drin? Obdachlose vielleicht?“ Gutes tut er nur, wenn er nichts tut, und so wundert man sich, wie er an seine nette Frau geraten ist, die ihn offenbar mal gemocht haben muss. Und an seinen Sohn, den er ja mit dieser Frau hat. Wie gesagt, die Fronten sind hier schnell klar, und so bleibt Zeit, für die eigentliche Handlung. Harts Freunde wollen Dr. Siebold vom Projekt abbringen, indem sie versuchen, kompromittierende Unterlagen aus seinem Büro zu stehlen. Bei dieser Nachtaktion kommt Siebolds Sohn in die Quere – und wird kurzerhand entführt. Das Kind hat die Entführer schnell sehr viel lieber als seinen Vater, und auch die Mutter zieht Harts Truppe schließlich auf seine Seite: Harts 5 eben. 

 

Wo steht eigentlich dieser Plattenbau?

 

Auf dem Weg zum rosaroten Ende produziert der Film dabei durchaus ein paar schöne Gags, die dem Gesamt-Script überlegen sind. Zum Beispiel, wenn Hart versucht, per Synthesizer eine anonyme Erpresserstimme zu erzeugen – wie bei fast jeder Gaunerkomödie entsteht die humoristische Fallhöhe hier aus der Unfähigkeit der Kriminellen, nicht nett zu sein. Und auch Dr. Siebold kann recht lustig sein, zum Beispiel dann, wenn er seinen Sohn verachtet. Und den Rest der 90 Minuten kann man sich freuen, wenn man mal wieder eine Prenzlauer Berger Straße erkennt. Und sich fragt, wo eigentlich dieser Plattenbau stehen soll, den der Immobilienhai da  platt machen will?

Fazit: Harmlose Belustigung ja, Erkenntnisgewinn nein. Und für einen Beitrag zur Gentrifizierungsdebatte, in denen ein Schwabe vorkommt, ist das ja schon mal sehr viel.

 

 

„Harts 5 – Geld ist nicht alles“, Vorpremiere im Kino Babylon am heutigen Donnerstag, regulärer und bundesweiter Kinostart am Donnerstag, 12. September in diesen Kinos.

 

 

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