Bilderbuch-Hippie als Staatsfeind unterwegs

von Anja Mia Neumann 22. Januar 2015

DDR-Gegner Robert Conrad reist durch die alte Sowjetunion und haut ab in die Steppe bei Baku. Die Fotos seines illegalen Trips hängen nun in einer Ausstellung.

Robert Conrad hat ein kleines Atelier in der Paul-Robeson-Straße. Seit 1986 lebt der Fotograf in Prenzlauer Berg, reist und fotografiert vor allem Häuser. Auf seinem Schreibtisch liegen Fotos, die für seine neue Ausstellung noch gerahmt werden müssen – in erster Linie Bilder von Gebäuden in der ehemaligen Sowjetunion, aber auch Menschen und Landschaften.

Ein Jahr bevor Conrad aus seiner Geburtsstadt Greifswald von der Ostsee nach Berlin kam, machte der damals 23-Jährige eine ungewöhnliche Reise. Ungewöhnlich, weil Conrad zugleich bekennender DDR-Staatsfeind war – mit dicker Stasi-Akte, wie er heute weiß – und er trotzdem an einer DDR-Propaganda-Reise teilnehmen konnte. Den Platz hatte er durch einen Zufall bekommen, über eine Freundin, die krank mit Grippe im Bett lag und sich später als Stasi-Spitzel herausstellte.

 

Im Freundesland hinter gepolsterten Türen

 

Gemeinsam mit einem Freund und rund 15 anderen Teilnehmern reiste Conrad durch die Sowjetunion: nach Moskau (heutiges Russland), Tiflis (Georgien), Jerewan (Armenien) und Baku (Aserbaidschan). Sein Trip endete letztlich auf einer Polizei-Station mit gepolsterten Türen. Die Vermutung der Beamten: Sie haben es mit einem gefährlichen Spion zu tun.

Unter dem Titel „Unterwegs durch Freundesland“ sind die Fotos von Robert Conrads Reise – und einer zweiten zehn Jahre später – im Museum Pankow zu sehen.

 

Ein DDR-Hippie unterwegs per Anhalter

 

„Ich war ein Bilderbuch-Hippie mit langen Haaren und Glasperlenkette“, erinnert sich Conrad, heute 52 Jahre alt, kurze Haare, Dreitagebart. „So sah damals niemand aus.“ Und weil Conrad die DDR-Regierung kritisierte, war er mit einem Studien-Verbot belegt. Statt Architektur zu studieren, jobbte er – als Heizer, Postbote, Bauarbeiter, Buchhandlungsgehilfe. Außerdem fotografierte er, und reiste mit Freunden per Anhalter. „Wir waren auf einer Hippie-Romantik-Tramper-Welle.“

Weiter als Rumänien und Bulgarien kam Conrad anfangs jedoch nicht. Denn für Länder wie die Sowjetunion war eine Sondergenehmigung nötig. Die Reisegruppe war für ihn eine einmalige Gelegenheit. „In Moskau haben wir dem Reiseleiter gesagt, dass wir nicht bei den geführten Touren dabei sind, sondern allein unterwegs sind“, erzählt Conrad. „Eigentlich haben wir ihn erpresst: Wir kommen abends zurück ins Hotel und hauen nicht gleich ganz ab.“

 

Mögliches Verhängnis: Lochkarten für den Bus

 

Das überlegte sich Conrad aber letztlich anders: Am vorletzten Tag der Reise in Baku schnappte er allein seine Kamera und sein Gepäck und lief los. Per Anhalter fuhr er eine alte Bahnstrecke in Richtung der iranischen Grenze entlang. „Ich habe gedacht: Ich bin nur durch ein Versehen aus der DDR rausgekommen. Ich habe nichts zu verlieren.“ Einen richtigen Plan hatte er nicht.

Letztlich nahm sein Abenteuer ein schnelles Ende. Mitten in der Steppe stoppte ihn ein Polizeiwagen und die Beamten brachten ihn in einen schallgedämmten Verhörraum. In seinen Bus-Lochkarten aus Greifswald vermuteten sie verschlüsselte Botschaften. “Heute kann ich darüber lachen, aber damals war es verdammt ernst: Sie waren überzeugt, dass ich ein Spion bin“, sagt Conrad. Zurück in der DDR nahmen sie ihm als Sanktion für ein Jahr lang seinen Ausweis ab. „Für Gefängnis hat es komischerweise nicht gereicht.“

 

Die Ausstellung erzählt von innerer Freiheit

 

Conrads Geschichte ist eine von 13, die in der Ausstellung „Unerkannt durch Freundesland“ mit Fotos erzählt wird. Die meisten Reisenden waren, anders als Conrad, mit einem Transitvisium illegal durch die Sowjetunion gereist – und länger geblieben. Eines jedoch eine die Fotografen, meint die Kuratorin Cornelia Klauß: die Sehnsucht nach innerer Freiheit.

„Die Menschen wollten reisen um des Reisens willen, nicht ausreisen.“ Diese Beharrlichkeit trotz der Gefahr, der sich die Reisenden aussetzten, war für Klauß ein entscheidender Grund, die Ausstellung zu kuratieren. „Ich habe die Leute immer bewundert, dass sie sich in das Moloch Sowjetunion begeben haben.“

 

Die Ausstellung „Unerkannt durch Freundesland – Reloaded“ zu illegalen Reisen durch das Sowjetreich und deren Fortsetzung in den 1990ern ist im Museum Pankow zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 10-18 Uhr, zu sehen sind Fotos von Robert Conrad und zwölf weiteren Fotografen.

 

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