Wo die FDP mit den Kommunisten spielt

von Thomas Trappe 11. April 2012

In Prenzlauer Berg spielt und trainiert der FC Bundestag. Links und rechts sind hier nur wichtig, wenn es um die Teamaufstellung geht.

Am Ende hat die Politik der Kirche noch ordentlich eins mitgegeben, hier im Sportpark. Nachdem der Pfarrer einem Abgeordneten in die Beine gegrätscht ist, ein Tor als Abseits gewertet wurde, konnte sich die Links-Mitte-Rechts-Koalition in einem gewaltigen Kraftakt in der zweiten Hälfte nochmal aufrappeln. Drei zu eins also ging es aus, das Spiel des FC Bundestag gegen die Pfarrermannschaft aus Hattingen, eine Stadt gelegen im Ruhrpott. Es war ein Erfolgserlebnis, auf das der FC jetzt schon länger gewartet hatte. Irgendwie wollte den Politkern in den vorangegangenen Spielen so recht nichts gelingen.

Seit 1999 – damals zog das Parlament von Bonn nach Berlin – trainiert und spielt der FC Bundestag im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark an der Schönhauser Allee. Das Team gibt es bereits seit 1961. Damals begann alles mit einem Benefizspiel zugunsten der Kriegsblinden, es mischte bei der gegnerischen Promimannschaft unter anderem mit der Schauspieler Willy Millowitsch. Viele Regierungen sind seitdem Geschichte, den überfraktionellen Verein gibt es immer noch. Und das ist der Grund, warum man in Prenzlauer Berg regelmäßig Bundespolitiker nicht nur ohne Krawatte und Anzug, sondern gleich mal im verschwitzten Trikot betrachten kann. Oder, wenn es hart kommt, ohne.

 

Politik ist kein Thema

 

An diesem Spieltag, um das kickende Rumpfparlament drehen ein paar Schüler ihre Laufrunden, ist zum Beispiel der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CSU) auf dem Feld zu sehen, überraschenderweise nicht in der Abwehr, sondern im Sturm. Jung ist von der CSU, die meisten seiner Mitspieler sind es nicht – vielmehr handelt es sich bei dem Aufgebot um eine Koalition, die es so sonst nicht gibt: Alle Parteien des Bundestags sind vertreten, außer den Grünen. Was konkret heißt, dass ein Linken-Abgeordneter im schlimmsten Fall CDU- oder gar FDP-Abgeordneten zupassen muss. 

„Da gibt es absolut keine Probleme“, schwört Klaus Riegert (CDU), Abgeordneter aus Baden-Württemberg und gelernter Polizist. Der 53-Jährige führt das Team als Kapitän bereits seit 1997. An politischen Streit auf dem Rasen könne er sich nicht erinnern, und jedenfalls an diesem Tag bestätigt sich das. Gespräche drehen sich fast ausschließlich um taktische Fragen auf dem Platz. Ein FDP-Mann spricht über die mitspielenden „Kommunisten“, er meint den Linken, aber das ist anscheinend nicht mehr als eine Frotzelei im gegenseitigen Einverständnis. 

„Das würde gar nicht funktionieren, wenn wir hier über Politik streiten, und das weiß auch jeder der Mitspieler“, sagt Riegert. Ein anderer Effekt sei aber zu beobachten, das berichten gleich mehrere Spieler. So gingen die FC-Kollegen bei Debatten im Bundestag wesentlich sanfter miteinander um als es die groben Sitten im Parlament eigentlich gebieten. Auch der Vize-Kapitän, Heinz-Peter Haustein (FDP) aus dem Erzgebirge, berichtet, dass er bei Mannschaftskollegen gerne mal auf freche Zwischenrufe im Bundestag verzichte. 

 

Der FC ist Europameister

 

Die Geschichte des FC Bundestag ist übrigens eine voller politischer Schwergewichte. Man mag es sich nur schwer vorstellen, aber so gehörte auch Helmut Kohl zum Kader, genau wie Joschka Fischer, Klaus Töpfer und Oskar Lafontaine. Heute kann man immerhin Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) als prominenten Namen aufbieten. Warum mittlerweile kein Grüner mehr in der Fußballmannschaft mitspielt, kann Teamchef Riegert nicht beantworten, niemand kann das. „Vielleicht, weil in der Partei der Frauenanteil höher ist“, lautet eine Vermutung. Der FC Bundestag ist eine reine Männermannschaft. 

Das nächste Spiel des Teams findet statt am 24. April gegen den TSG Eintracht Plankstadt, am 8. Mai läuft dann das Team „Plenardamen“ auf. Richtig ernst wird es aber erst am 17. Mai. Dann findet die Europameisterschaft der Parlamentsmannschaften im finnischen Tampere statt. Es ist die vierzigste EM, aktueller Titelverteidiger ist Deutschland. Der Teilnehmerkreis, das muss man dazu sagen, ist allerdings bei der EM recht überschaubar. So treten neben dem FC Bundestag die Teams aus Österreich, der Schweiz und eben Finnland an. Im kommenden Jahr findet die Meisterschaft in Deutschland statt – allerdings nicht in Prenzlauer Berg, sondern in Dresden.

 

 

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