Wie früher, ohne Gewalt

von Thomas Trappe 22. Februar 2013

Wenn Hoteliers Geschichte aufarbeiten, kommt ein Goldbroiler raus. Und Mitarbeiter in lustigen Uniformen von Zwangsorganisationen.

Der große Max Goldt hat mal geschrieben, auch unter Hitler war zwölf Mal Spargelzeit. Sollte ungefähr heißen, auch in schlimmsten Zeiten ist den Menschen nicht der Alltag auszutreiben. Sie verlieben sich, sie lachen und tanzen. Und sie essen ab und an gut, auch dann, wenn es gleichzeitig eine Waffen-SS gibt. Nun ist ein Überleitung vom Nationalsozialismus zur DDR ja immer etwas heikel, zumal gar nicht sicher ist, ob es in der DDR immer Spargelzeiten gab – das Zeug wurde ja komplett in die BRD oder unter den Ladentisch exportiert oder sprießte im eigenen Garten, wo der Igel goss. Aber wer braucht schon Spargel, wenn es Schwarzwurzeln gibt. Und überhaupt, darum soll es hier gar nicht gehen.

Sondern darum: Ein Hotel in Prenzlauer Berg wirbt gerade mit einem neuen Angebot. Das Park Plaza in der Storkower Straße bietet die Tagungspauschale „DDR“ an, für 35 Euro (West) pro Person und Tag. „Typisch DDR“ sei die Verpflegung, heißt es in der Mitteilung des Hotels. Was sich das Hotel unter typisch DDR vorstellt, ist schnell zusammengefasst: Soljanka, Broiler, Kochklopse (Kaliningrader Art), Kalter Hund, Schneewittchenkuchen und Kaffee Muckefuck. Ein Programm für Hartgesottene. Wer nach dem Genuss von Kaltem Hund nicht das Essen des gesamten gerade laufenden Verdauungszyklusses hervorbringt, der hat sicher auch den obigen Youtube-Link bis zum Schluss angehört. Aber gut, Geschmäcker sind verschieden. Belassen wir es dabei und halten nochmals fest, dass das Essen nichts für den Staat kann, dessen Produkt es (ein wenig) ist. Nostalgie ist da unbedenklich.

 

Kotzen gehört sich nicht

 

Besondere Aufmerksamkeit wollen wir aber dem Foto widmen, mit dem das Hotel für sein Angebot wirbt – nicht dem Goldbroiler, der dort ohne Sättigungsbeilage auf einem Silbertablett der Kälte ausgesetzt ist; sondern den Verkleidungen, in die der Hotelchef offenbar seine Angestellten gezwungen hat. Zunächst hoffen wir, dass die junge Dame nicht jeden Tag im FDJ-Jungpionier*-Hemd und blauen Halstuch im Hotel auftaucht; denn dann wäre sie höchstens in der achten Klasse und sollte erst mal ihren Abschluss machen. Vor allem aber lassen die Jungpionierin und der Vopo-Bulle neben ihr es doch fraglich erscheinen, ob man in diesem Hotel absteigen will. Beziehungsweise, ob manche Hoteliers auch mal nachdenken, bevor sie ihre Mitarbeiter in Uniformen latent menschenfeindlicher Organisationen stecken.

Gerade wegen der Verpflegung wäre es von äußerster Relevanz, die Sicherheit zu haben, dass meinetwegen das Buffet dem DDR-Standard entspricht, nicht aber die Tisch-Disziplin dem Standard der FDJ. Denn die Kombination Essen und FDJ ist ja, wenn die Erinnerung da nicht trügt, vor allem mit Zwang verbunden. Was auf den Teller kommt, wird gegessen, und was auf den Teller kommt, bestimmst man sicher nicht selbst. Speck ist lecker und wer kotzen muss, ist böse. Und irgendwann werden sie es lernen: Kalter Hund schmeckt, und wenn nicht, wird er wenigstens aufgegessen.

 

Immerhin wird nicht geschossen

 

Ja, solche Menschen gibt es zuhauf, und sie waren in ihren durch Gunst der Geschichte erlangten Aufseher-Funktionen vor nicht allzu langer Zeit sehr erpicht darauf, dass man jeden Montag in Schule und beim FDJ-Nachmittag sein Halstuch trägt und störungsfrei funktioniert. Wenn nicht, konnten sie noch böser werden, als ihre degenerierte FDJ-Moral es ohnehin gebot. Und jetzt sind sie wieder da, wenn auch nur als Karikatur. Ausgerechnet im Vier-Sterne-Hotel.

Immerhin, der Vopo-Bulle im Hotel trägt offenbar keine Waffe. Dann kann man als Hotel-Gast im Park Plaza wenigstens ohne Bedenken in den Mauerpark gehen. War ja auch nicht immer so.

 

*In einer ersten Version des Textes war hier die Rede von einer FDJ-Uniform. Die Junppioniere waren zwar eine FDJ-Organisation, die Bluse aber dann doch keine FDJ-Bluse, genaugenommen. Wir wollen es genau nehmen und haben korrigiert.

 

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