Wie es in der Wirtschaft besser laufen soll

von Thomas Trappe 29. November 2011

Prenzlauer Bergs Firmen haben mehr zu bieten als Biomarkt und Tourismus. Zum Beispiel die Internetwirtschaft. Bürgermeister Köhne sieht aber den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftsfaktor.

Diese „Internetgeschichten“ nennt er es. Matthias Köhne (SPD), frisch wiedergewählter Bezirksbürgermeister in Pankow, weiß um all diese Ansiedlungen, die es längst nicht mehr nur in Mitte, sondern zunehmend auch in Prenzlauer Berg gibt. Zalando und das kürzlich von Google aufgekaufte DailyDeal zum Beispiel, um nur zwei der Firmen zu nennen, die über das Internet europaweit mächtig viel Geld verdienen. Sehr schön sei es, findet Köhne, dass es solche Unternehmen jetzt hier gebe. Wichtiger für die Wirtschaftskraft im Kiez sei allerdings ein anderer Sektor, und zwar der Tourismus. Überraschungen klingen anders. 

Seit der Neukonstituierung des Bezirksamts, ist die Wirtschaftsförderung in der Verwaltung  dem Bürgermeister direkt unterstellt. Zuvor lag sie als nachgeordnetes Ressort in den Händen des abgewählten Linken-Stadtrats Michail Nelken. Ein strukturelles Defizit, das der Wirtschaftsförderung in den vergangenen Jahren nicht gut getan habe, so Köhne. Nelkens Amt sei „durch die Stadtentwicklung dominiert gewesen, die Wirtschaft hatte dabei nicht den Stellenwert, den sie verdient“. 

 

„Prenzlauer Berg ist eine Marke“

 

Unter Köhne soll das nun anders werden. Der Bürgermeister will neue Potenziale erschließen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Touristen auch aus Prenzlauer Berg herauskommen“, sagt er etwa über einen der tragenden Wirtschaftsfaktoren im Bezirk. Schließlich gebe es auch im Norden Pankows sehr attraktive Adressen, zum Beispiel das Schloss Schönhausen. Als Ankündigung, den Süden gänzlich zu vernachlässigen, will Köhne dies freilich nicht verstanden wissen. Nur: „Prenzlauer Berg ist schon alleine eine Marke.“ Werbung sei hier kaum nötig.

Doch beim Tourismusmarketing solle Köhnes Engagement nicht enden. So will er in den kommenden Jahren sein Augenmerk darauf richten, neue Gewerbeflächen zu schaffen, kündigte er an. Vielerorts fehle schlicht der nötige Bebauungsplan, zum Beispiel in der Schönerlinder Straße, erklärt er. Solche Möglichkeiten gebe es aber logischerweise eher im vergleichsweise dünn besiedelten Norden. In Prenzlauer Berg gehe es hingegen vor allem darum, den weiteren Anstieg der Gewerbemieten zu verhindern. 

Die Bezirksverordnetenversammlung soll den neuen Wirtschaftsstadtrat bei der Wiederentdeckung der Wirtschaftsförderung unterstützen und hat dafür einen eigenen Ausschuss gegründet, der allerdings bereits in die Kritik geraten ist. 

Köhne selbst hat übrigens bislang keine Erfahrungen in der freien Wirtschaft gesammelt. „Das ist aber auch nicht nötig“, sagt er, und verweist auf seine Arbeit, die er in den 90er Jahren im Wirtschaftsausschuss des Senats geleistet hat. In den kommenden Wochen will er nun das Gespräch mit Pankower Unternehmern suchen. Was ihn dabei in Prenzlauer Berg erwartet? Wir haben schon mal nachgefragt:

 

Eine klare Linie

Rainer Bahr ist Unternehmer. Als Bauinvestor aber für viele Prenzlauer Berger, denen Gentrifizierung und Mietsteigerungen üble Reizwörter sind, ein Feindbild. Doch auch mit Bezirkspolitikern stand Bahr im vergangenen Jahr auf Kriegsfuß, weil er an der Belforter Straße den Blockrand bebauen wollte. Dabei würde Bahr lieber auf Kommunikation als auf Konfrontation setzen: „Als Unternehmer wünsche ich mir, dass die Politiker erkennen, dass wir den Bezirk nur gemeinsam entwickeln können – der Senat ist schließlich pleite.“ 

Köhnes Ankündigung, mehr Dialog zu suchen, unterstützt Bahr deshalb. „Man könnte einen Beirat gründen oder Gesprächsrunden veranstalten“, sagt er. Das sei nötig, um eine klare Linie in die Wirtschaftsförderung des Bezirks zu bekommen. „Ganzheitliche Konzepte fehlen bislang.“ Hinzu komme, so Bahr, „dass einem ersteinmal schlechte Absichten unterstellt werden, sobald man hier unternehmerisch tätig wird“. Das sei aber nicht nur in Prenzlauer Berg so, sondern in ganz Berlin.

 

Luft nach oben

Drei Sterne, solides Mittelfeld also, würde Sascha Hilliger, Manager des Hotels Myer’s Berlin in der Metzer Straße, der Wirtschaftsförderung in Prenzlauer  Berg geben. Damit ist „noch Luft nach oben“, sagt Hilliger, auch wenn sich in der vergangenen Legislaturperiode die Kommunikation zwischen Unternehmern und Bezirksamt schon erheblich gebessert habe. 

Wenig überraschend ist für Hilliger -  der zugleich Vorsitzender des Unternehmervereins „Pro Prenzlauer Berg“ ist – der Tourismus die wichtigste Säule der Prenzlauer Berger Wirtschaft. Wenig wird ihm die Ankündigung Köhnes gefallen, Touristen aus dem Kiez rauszuholen, denn das Gegenteil sei nötig: Den Kiez als Tourismusstandort stärken, zum Beispiel durch mehr Marketing. Dafür sei es auch nötig, die Tourist Info besser aufzustellen. 

Ähnlich wie Rainer Bahr wünscht sich Sascha Hilliger mehr Kommunikation mit dem Bezirksamt. „Das muss vom Amt ausgehen, allerdings auch von uns Unternehmern“, sagt er.

 

Oder Kleinmachnow

Die Lust auf Schnäppchen hat die Daily- Deal GmbH zu einem Millionen Euro schweren Unternehmen gemacht. Auf der Internetseite werden die günstigsten Deals des Tages präsentiert, für die Vermittlung zwischen Schnäppchenjäger und Anbietern bekommt das Unternehmen eine Provision. Im September dieses Jahres kaufte der Internet-Gigant Google das Unternehmen, das seinen Sitz in der Saarbrücker Straße hat und 2009 von den Brüdern Fabian und Ferry Heilemann gegründet wurde. Eine dieser „Internetgeschichten“, von denen Bürgermeister Köhne spricht, und die laut Medienberichten Google rund 150 Millionen Dollar wert war.  

Mit amtlicher Wirtschaftsförderung hat dieser Erfolg aber nichts zu tun. Oder wie es Pressesprecher Michael Hensch ausdrückt: „Wir könnten genauso in Kleinmachnow sitzen.“ Einen Kontakt mit dem Bezirksamt gebe es „nicht wirklich“, so Hensch, der Erfolg des Unternehmens beruhe vor allem auf der Tatkraft von Gründern und Investoren.  

 

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