Populär, aber prekär

von Juliane Schader 1. Juli 2013

Tourismus ist in Berlin ein wachsender Wirtschafts-Faktor. Davon möchte auch Pankow profitieren. Da Geld fehlt, müssen Praktikanten und 1-Euro-Jobber die Werbung für den Standort übernehmen.

Zwar mag das Viele wurmen, die der Radler-Pulke auf dem Kollwitzplatz und der Rollkoffergeräusche im Hausflur völlig überdrüssig sind. Aber: Der Tourismus ist für Berlin ein wichtiger und wachsender Wirtschaftsfaktor. Auf fast 25 Millionen Übernachtungen hat es die Stadt im vergangenen Jahr gebracht, wie der europäische Städtetourismus-Verband European Cities Marketing unlängst verkündete. Das macht zwar nur Platz drei hinter London und Paris, entspricht aber einer Steigerung von über elf Prozent zum Vorjahr. 

Auf dem Papier klingt das nach Wirtschaftswachstum und Geld, das endlich auch mal eingenommen und nicht immer nur ausgegeben wird. Dahinter stecken jedoch auch äußert prekäre Strukturen, wie ein Blick in den jährlichen Bericht zum Tourismus in Pankow offenbart.

 

Viele Aufgaben und wenig Geld

 

Um das Kultur- und Tourismus-Marketing im Bezirk kümmert sich seit 2004 das Tic. Es betreibt die Touristen-Information in der Kulturbrauerei, produziert Broschüren und Flyer und pflegt eine Website, die einen Überblick über das Veranstaltungs-Angebot in Pankow verschafft. Darüber hinaus sind seine Mitarbeiter auf Messen und Volksfesten vertreten und arbeiten auch dem Berlin-weiten Tourismus-Marketing Visit Berlin zu. An Aufgaben mangelt es also nicht, wohl aber am Geld: Pro Jahr stehen derzeit nur 40.000 Euro zur Verfügung.

Nun muss das Tic von diesem Geld zumindest keine Miete in der Kulturbrauerei bezahlen. Doch allein beim Blick auf die täglichen Öffnungszeiten des Info-Büros von 11 bis 19 Uhr wird klar, dass der Betrieb angesichts dieses Budgets wohl nicht von festangestellten Vollzeitkräften aufrecht erhalten wird. Statt dessen übernehmen das Praktikanten, Ehrenamtliche und MAE-Kräfte, auch 1-Euro-Jobber genannt. Allein sechs Stellen für Langzeitarbeitslose sind im Tic vorgesehen. Doch nicht einmal die können derzeit durchgehend besetzt werden.

 

Stellen bleiben unbesetzt

 

„Die Personalsituation ist im Laufe der Jahre dramatischer geworden“, erklärt Stefanie Gronau, Tic-Projektleiterin und einzige echte Vollzeitkraft. Immer öfter seien MAE-Stellen vorübergehend unbesetzt geblieben; zwischen Dezember 2012 und April 2013 habe es gar keine derartige Kraft gegeben. „Die Arbeit musste in der Zeit vollständig von Ehrenamtlichen, Praktikanten und Honorarkräften gemacht werden, für die wir eigentlich kein Geld haben“, so Gronau.

Problematisch ist laut der Projektleiterin, dass viele MAE-Stellen nur noch für ein halbes Jahr bewillig würden und damit ständig neu besetzt werden müssten. Das sei aber oft nicht so schnell und einfach möglich, weil erst entsprechende Mittel freigegeben werden müssten. Für das tic wird dadurch eine kontinuierliche Arbeit fast unmöglich.

 

Gute Vermittlungs-Chancen für Langzeit-Arbeitslose

 

Nun muss sich eine bezirkliche Einrichtung die Frage gefallen lassen, ob sie denn überhaupt von prekären Beschäftigungen profitieren sollte. In der aktuellen Diskussion um Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung sollte der Staat doch mit gutem Beispiel voran gehen. Gronau hält dem entgegen, dass die Arbeit des Tic sonst gar nicht möglich sei und den Langzeitarbeitslosen zudem eine sehr gute Chance zum Wiedereinstieg in den Beruf geboten werde. „Sie kommen in Kontakt mit Unternehmen und können ihre Fremdsprachenkenntnisse auffrischen. Die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt ist überdurchschnittlich.“

Doch es ist nicht nur die Personalsituation, bei der es im Tic gehörig knirscht. Auch die technische Ausstattung ist mittlerweile veraltet. Als das Tic 2004 seine Arbeit aufnahm, wurde das Projekt durch EU-Mittel unterstützt. Davon wurden damals zum Beispiel Computer angeschafft und der Bau der Website finanziert, die jeweils bis heute in Betrieb sind. Denn nach drei Jahren endete die EU-Förderung, und das Geld, das seitdem aus dem Bezirkshaushalt kommt, reicht weder für einen überfälligen Relaunch der Internetseite noch für neue Technik.

„Das Tic leistet einen Beitrag zur Stärkung der regionalen Wirtschaft und ist Teil der Pankower Willkommenskultur“, meint Gronau. Nur selbst arbeite es eben „höchst prekär“, wenn auch kontinuierlich.

 

 

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