Freunde isst man doch

von Juliane Schader 7. Januar 2014

Wo wurde es erfunden? Diese Fragen stellen wir in unserer neuen Reihe „Von hier – Geschäftsideen aus Prenzlauer Berg“. Darin nehmen wir Erfindungen und Unternehmen unter die Lupe, die in unserem Kiez entstanden sind und mittlerweile weit darüber hinaus erfolgreich sind. Im ersten Teil geht es um Broccoli und Birnen mit Augen – oder etwas weniger kryptisch: um „Erdbär – Freche Freunde“ aus der Schönhauser Allee.

Der Poller steht noch, und der durchgestrichene Kinderwagen im Fenster ist ebenfalls noch da. Im Café The Barn am südlichen Ende der Schönhauser Allee sollen Kinder draußen bleiben. Darüber hat sich im Laufe des Frühjahrs 2012 ganz Deutschland aufgeregt. Ausgerechnet hier, nur einen Hof weiter, hat sich ein Unternehmen angesiedelt, bei dem es genau umgekehrt läuft: Bei „Erdbär – Freche Freunde“ sind ausschließlich Kinder die Zielgruppe. Genauer gesagt Kinder, die sich gerne zwischendurch mal ein Fruchtmus aus einer kleinen Plasteverpackung in den Mund drücken.

Klingt komisch, ist aber so: Quetschmus nennen das die Unternehmensgründer Natacha und Alexander Neumann. Natacha kommt aus Frankreich, wo Mus aus Früchten und Gemüse schon lange als gesunde Zwischendurch-Mahlzeit für Kleinkinder in den Geschäften steht. In Deutschland sahen Neumanns genau in diesem Sortiment allerdings noch Verbesserungsbedarf.

 

Snackfreund Kleinkind

 

„Kinder müssen zweimal am Tag snacken“, erklärt Neumann, die wie ihr Mann vorher bei einem großen Unternehmen der Lebensmittelbranche angestellt war. „Entweder gibt man den Kindern dann Süßigkeiten, oder man versucht es mit Obst. Das mögen sie aber oft nicht; zudem wird es unterwegs oft matschig.“ Warum also nicht das Obst gleich matschen und in einer transportfähigen und für Kinder ansprechenden Verpackung anbieten? Fertig war die Geschäftsidee.

Die ersten Versuche machten die Neumanns noch mit dem Pürierstab in der Küche ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg. Im Dezember 2010 folgte die Gründung der eigenen Firma. Ein halbes Jahr später standen die ersten Produkte in den Regalen. „Mit unseren Offline-Produkten sind wir unter den vielen Internet-Start-ups in Prenzlauer Berg Exoten“, meint Alexander Neumann.

Neben verschiedenen Obst-Gemüse-Kominationen – natürlich bio – zum Quetschen ist das Sortiment mittlerweile auf getrocknete Früchte, Gemüsewaffeln und Quetschjogurt erweitert worden. Für das kommende Jahr ist die Einführung weiterer Geschmacksrichtungen sowie von Saftschorlen geplant. „Mittlerweile gibt es mehrere Anbieter von Quetschobst. Gegen die Masse großer Produzenten wie Hipp und dm kommen wir als kleines Unternehmen nicht an“, sagt Alexander Neumann. „Wir müssen dafür innovativer sein.“

 

250.000 Euro per Crowdfunding

 

In über 4000 Bio-Läden und Drogerien in Deutschland, Österreich und der Schweiz stehen die Produkte von „Erdbär – Freche Freunde“ mittlerweile. Sechs Mitarbeiter hat das Unternehmen in Prenzlauer Berg, produziert wird in Deutschland, Österreich, Frankreich und Spanien. Das Startkapital kam zunächst aus der eigenen Tasche; später von Investoren. Über Seedmatch, eine Crowdfunding-Plattform für Start-ups, wurden zudem 250.000 Euro gesammelt. 2012 hat das Unternehmen über 500.000 Euro Umsatz gemacht, 2013 sollte sich der Wert verdoppeln. Es läuft also.

Oder, anders ausgedrückt: Die Bereitschaft ist da, Obst zu kaufen, das sich auf der Verpackung mit Augen ausgestattet als lustige Figur in Szene setzt. Doch wie verträgt sich die Bio-Qualität des Essens eigentlich mit seiner Plastikhülle? Und darf ein kleiner Zwischendurch-Snack beim Bio-Laden nebenan 1,40 Euro pro 100 Gramm kosten, während in Berlin wochenlang diskutiert wurde, ob ein komplettes Schulmittagessen teurer als 2,10 Euro sein darf?

 

Bio hat seinen Preis

 

Auch auf derartige Fragen sind die Neumanns vorbereitet: „Wenn man das Obst und Gemüse selbst in Bio-Qualität kauft, ist es nicht viel billiger“, meint Natacha. Qualität habe eben ihren Preis. An der Verpackung werde derweil noch geschraubt, erklärt Alexander. Sie versuchten, zunehmend auf nachwachsende Rohstoffe wie etwa Zuckerrohr zu setzen, aus dem mittlerweile auch manche Plastiktüte besteht. Schon jetzt sehe es allerdings mit dem entstehenden Müll gar nicht so schlimm aus. „Allein im Deckel eines Babygläschens stecken zehn Gramm Alu. In der gesamten Verpackung eines Quetschmus’ ist es nur ein Gramm.“

Und was ist mit dem Apfelsaftkonzentrat, das dem Mus zugesetzt wird? Solches Konzentrat wird gerne statt Zucker eingesetzt, weil es zwar süßer macht, aber trotzdem „ohne Zuckerzusatz“ auf der Verpackung stehen darf. „Nicht alle Produkte enthalten Konzentrat, und wenn doch, dann ausschließlich für eine bessere Konsistenz“, meint Alexander. „Das ist so wenig, auf den Nährwert hat das keine Auswirkungen.“

 

Von Foodwatch empfohlen

 

Tatsächlich schneiden die Frechen-Freunde-Produkte bei einem Marktcheck Kinderlebensmittel, den die Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch 2012 vorgestellt hat, im Vergleich mit anderen Angeboten für Kinder sehr gut ab. „Kann ab und zu eine Portion Obst ersetzen“ lautete das Urteil. Das könne man seinen Kindern ruhig öfter geben.

„Die Frechen Freunde sind nur ein Snack für zwischendurch. Obst und Gemüse muss man natürlich trotzdem essen“, meint Natacha. Was sie aber könnten, sei durch ihre lustige Aufmachung schon die Kleinen für gesundes Essen zu begeistern. „Die Kinder sollen sich mit dem Obst und Gemüse anfreunden.“ Wer Erbsen in gequetscher Form mag, wagt sich vielleicht auch mal daran, wenn sie rund und grün auf dem Teller liegen, so die Logik.

Die Geschmacksrichtung Spinat fehlt im Sortiment bislang aber.

 

 

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