Problemjugend in die Edelkieze

von Thomas Trappe 12. Oktober 2012

Der Bezirk kann in der Innenstadt kaum noch Sozialwohnungen zahlen. In Prenzlauer Berg sehen Kommunalpolitiker die Lösungen in den ehemaligen Sanierungsgebieten.

Integration bedeutet Teilhabe. Ein Satz so abgenutzt, doch trotzdem richtig. Auch im Bezirksamt würde er wohl ohne Weiteres unterschrieben werden – vielleicht mit dem Zusatz, dass es sich um einen frommen Wunsch handelt, zumindest, wird über Prenzlauer Berg geredet. Denn gerade ist der Bezirk dabei, in diesem Punkt zu kapitulieren. Der Mietmarkt vor allem im innerstädtischen Prenzlauer Berg hat sich so weit verteuert, dass eine jahrelange Selbstverständlichkeit nicht mehr finanziert werden kann. Jene Selbstverständlichkeit, dass sozial schwachen Menschen mit Amtshilfe Wohnungen in der Innenstadt besorgt werden – damit diese dort Anschluss an städtischen Alltag und Gesellschaft finden. Den Ausweg aus dem Dilemma suchen Kommunalpolitiker nun in den besseren Gegenden des Bezirks. Den Sanierungsgebieten.

 

In rund 2100 Fällen muss das Amt unterstützen

 

Betroffen von der bisherigen Entwicklung sind vor allem Jugendliche und junge Familien, die „Hilfen zur Erziehung“ bekommen. In rund 2.100 Fällen gibt das Bezirksamt nicht unmaßgebliche Summen für diese Sozialleistung aus. Manchen Betroffenen wird ambulant geholfen, anderen stationär – Letztere leben meist in Wohnungen, deren Miete das Bezirksamt zahlt. In den allermeisten Fällen kümmern sich Sozialarbeiter oder Therapeuten um die Bewohner, die oft auch in WGs zusammenleben. Ziel ist, dass die Jugendlichen oder Familien ein soziales Miteinander lernen, innerhalb wie außerhalb der Wohnung.

Doch auch diese Bleiben müssen angemietet werden; und hier bevorzugen die meisten Vermieter andere Bewohner, da sie sich um den Hausfrieden sorgen. Zwar werden noch Wohnungen gefunden – doch spätestens nach Auslaufen der sozialen Unterstützung sieht es düster aus. Dann ist es für die Betroffenen nahezu unmöglich, in Prenzlauer Berg wohnen zu bleiben. Die für das Thema zuständige Stadträtin Christine Keil (Linke) bestätigte gegenüber dieser Zeitung den Trend. „Wenn überhaupt in diesem Bezirk, dann in einem Plattenbau in Buch.“ Das sei der Weg, den Betroffene vor sich sehen.

 

Obdachlosigkeit droht

 

Für die (Re-)Integration ist das eine Katastrophe. Im Ausschuss für Kinder- und Jugendhilfe der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) beschäftigten sich die Mitglieder in den vergangenen Monaten mit den Folgen dieser Entwicklung und fassten sie in einer Beschlussempfehlung zusammen. Demnach sei es inzwischen die Ausnahme, dass Jugendliche, die in einer eigenen Wohnung vom Amt betreut werden, nach Ablauf der Hilfe dort bleiben können; schließlich wird der knappe Wohnraum ja für neue, dringendere Fälle benötigt. „Der Umzug der jungen Menschen und junger Familien in weit entfernte Wohnquartiere kann die aufgebaute Vernetzung (Kita, Schule, Ärzte, Beratungsstellen) für die Menschen erheblich beeinträchtigten“, heißt es. Auch die Nachbetreuung werde komplizierter, da Mitarbeiter von Sozialträgern lange Wege zurücklegen müssten. Das führe zu einer „Benachteiligung von jungen Menschen“, heißt es im Antrag. Im Extremfall drohe gar die Obdachlosigkeit. 

So weit sei es glücklicherweise noch nicht, erklärte Stadträtin Keil. „Aber das Problem ist gravierend.“ Derzeit suche ihr Amt nach Lösungen. Im Antrag wird eine Idee schon konkretisiert. So solle untersuchen werden, „inwieweit Wohnraum, der in den vergangenen Jahren mit Sanierungsmitteln gefördert wurde und einer Belegungsbindung unterliegt, den Angeboten der Jugendhilfe zur Verfügung gestellt werden kann.“ Auch mit Wohnungsunternehmen und -genossenschaften im Bezirk sollten entsprechende Gespräche geführt werden. 

 

Alternative Hausmeisterwohnung

 

Christine Keils Amt schaue auch nach anderen Wegen, erklärte die Stadträtin. Eine Idee: Ehemalige Hausmeisterwohnungen in Schulen sollten genutzt werden. „Das klappt aber auch nur in Einzelfällen“, so Keil. Nötig sei, dass das Land Berlin Lösungen finde. „Ich verstehe diesen Antrag auch als Signal in diese Richtung“. In der kommenden BVV-Sitzung Anfang November wird er beraten.

 

 

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