Der Mythos vom Berg

von Anja Mia Neumann 20. Mai 2015

Wir wissen nicht, ob es mit den PBN weitergeht. Bevor wir keine Gelegenheit mehr dazu haben, wollen wir wenigstens noch rasch erklären, wie wenig Berg in Prenzlauer Berg steckt.

Es sei an der Zeit, mit ein paar Irrtümern aufzuräumen. Das meint zumindest Bernt Roder. Er ist der Leiter des Museums Pankow in der Prenzlauer Allee. Der Berg im Namen von Prenzlauer Berg ist schließlich gar kein Berg. Das sei vielen Alteingesessenen, aber nur wenigen anderen Berlinern und Zugezogenen klar.

Zuerst sollte das Viertel auch ganz anders heißen, nämlich ohne Berg. Das mochten die Verwaltungsbeamten aber nicht – ein Jahr lang wurde über die Namenswahl diskutiert, damals, in den 1920er Jahren.

 

Eine Kante bevor es ins Spreetal runtergeht

 

Räumen wir mit Legende eins auf: Mit dem, was manche für den Prenzlauer Berger Berg halten. „Viele verwechseln den Berg im Namen mit der künstlichen Aufschüttung vom Wasserturm-Areal“, sagt Roder. „Damit hat es mitnichten etwas zu tun.“ Der Wasserturm diente der Versorgung des rasch wachsenden einstigen Arbeiterbezirks.

Der wahre Berg ist ein geologisches Phänomen. „Prenzlauer Berg liegt an einer auslaufenden Hangkante, der Barnim-Hangkante, die vom Barnim im Nordosten kommt und dann ins Spreetal hinunterfällt“, erklärt Roder. Die letzte Eiszeit hat diese Formung der Landschaft verursacht. Wer Richtung Alexanderplatz guckt, schaut vom Berg ins Spreetal. „Die beste Stelle, von der man das heute noch erkennen kann, ist die Straßburger Straße. Da kriegen Sie richtig das Gefühl dafür, dass es bis zur Torstraße runter geht“, sagt der Museumsleiter. 

 

Windmühlen auf Befehl des Königs

 

Der Berg als Abhang, von der Eiszeit geprägt – das ist die eine Geschichte. Die andere geht historisch nicht ganz so weit zurück, ist aber ebenfalls an der Straßburger/Ecke Saarbrücker Straße zu verorten: „Das ist der Ort, wo auf Befehl des Königs Mitte des 18. Jahrhunderts ein Ring von Bockwindmühlen errichtet wurde“, sagt Roder. In der Innenstadt waren solche Mühlen viel zu gefährlich, weil beim Getreidemahlen häufiger Funken schlugen und die Brandgefahr zu groß war.

Die Windmühlen ergaben eine optische Erhöhung, gewissermaßen einen Windmühlenberg. „Das ist historisch gesehen der Punkt, an dem man auch heute noch von einem Prenzlauer Berg reden könnte“, so Roder. 

 

Die wenigsten waren schon in Prenzlau

 

Der erste Teil des Namens wäre damit geklärt. Und Prenzlau? Das kommt „von der mittleren Magistrale, die das Viertel durchschneidet“, wie der Museumsleiter es nennt. Die Prenzlauer Allee war früher eine Buckelpiste ins brandenburgische Prenzlau, ein Hohlweg, bei dem es rechts und links hoch ging. Traditionell wurden die Straßen nach den Handelswegen benannt, und dieser führte eben nach Prenzlau.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Prenzlauer Berger jemals Prenzlau sah, war aber sehr gering“, sagt Roder. Wer mit dem Kremser oder zu Fuß unterwegs ist, für den sind 100 Kilometer eine unüberwindbare Strecke. Vielmehr war der Prenzlauer Berg selbst ein Ausflugsziel für viele Berliner. Von der Innenstadt aus zogen sie im 19. Jahrhundert vor die Stadt, zum Beispiel zum Gartenlokal Prater oder in den Biergarten der Bötzow-Brauerei.

 

Vom Tor zum Berg

 

Als es im Jahr 1920 darum ging, dem Viertel einen Namen zu geben, stand Prenzlau schon früh als Namensbestandteil fest. Die Gemüter erhitzte der zweite Teil. „Zunächst hatte man sich auf Prenzlauer Tor geeinigt“, sagt Roder. „Nach einem der Stadttore.“ Aber das Bezirksamt widersprach und wendete ein, dass das nicht zutreffend sei. Der Name lenke ab von der Besonderheit des Viertels: der Anhöhe.

Es folgte eine heftige Diskussion, denn die Verwaltung setzte sich mit Nachdruck dafür ein, den Namen zu korrigieren. Ein Jahr dauerte der Streit, bis am 7. Juli 1921 der Name Prenzlauer Berg beschlossen und Prenzlauer Tor beerdigt wurde, „weil durch die Wahl des Namens die Fläche des Bezirks mit der Erhebung in ihrer Gesamtheit besser zum Ausdruck kommt.“ So zitiert Museumsleiter Roder aus der Begründung damals.

 

Dritter Bezirk oder Schönhausen?

 

Zu der schwierigen Namensfindung 1920/21 sieht Roder eine Parallele zum Namens-Hin-und-Her nach der Bezirksfusion 2001, der Ehe von Prenzlauer Berg mit den Alt-Stadtbezirken Pankow und Weißensee. „Zur Debatte standen zum Beispiel ‚Dritter Bezirk‘ in Anlehnung an Wien, wo die Städter ihre Bezirke auch nummeriert haben, oder die Bezeichnungen ‚Schönhausen‘ und ‚Nord-Ost‘.“ Die Idee war es, ein neutrales viertes Wort zu finden. Daraus wurde nichts: Pankow hat 2006 letztlich das Rennen gemacht – „nachdem fast sechs Jahre mit dem Wortungetüm ,Dritter Bezirk Prenzlauer Berg, Weißensee und Pankow‘ hantiert worden war.“

Eine Melange, wie sie beim Namen nicht gelungen war, ist es dafür beim Wappen vom Großbezirk Pankow geworden, zu dem der historische Brauerei-Standort Prenzlauer Berg den Hopfen beigesteuert hat.

 

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