Prenzlauer Berg aus Touristensicht

von Juliane Schader 4. Mai 2011

In Prenzlauer Berg hat man Angst vor der Touristification. Doch wie beschreiben eigentlich die Reiseführer den Kiez, um die Touristen herzulocken?

Wenn es um die Wahl der unbeliebtesten Menschen des Prenzlauer Bergs geht, dann liefern sich die Touristen mit den Schwaben ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Während die Schwaben alles daran setzen, den Charme der Stuttgarter Vororte nach Berlin zu importieren, besetzen die Touris sämtliche Plätze in den netten Cafés, grölen zu laut vor den Clubs, bis diese schließen müssen, und sorgen für Wohnraumknappheit, indem sie auf der Suche nach szenigen Unterkünften klassische Altbauten als Ferienwohnungen nutzen.

„Touristification“ ist das Stichwort, unter dem die Angst vor dem übermäßigen Einfluss von Besuchern auf den Alltag der Bewohner zusammengefasst wird. Dabei drängt sich bei einem Blick in die Reiseführer, die Gästen die Orientierung in der Stadt erleichtern sollen, die Frage auf, warum sich überhaupt ein Nicht-Berliner in die Spießerhochburg Prenzlauer Berg verirrt, die sich vor allem durch eins auszuzeichnen scheint: Die coolen Zeiten sind vorbei.

„Miesmacher werfen Prenzlauer Berg vor, gentrifiziert und spießig geworden zu sein“, schreibt etwa der Dumont Direkt Berlin. Und kommentiert dann selbst, die Gegend stehe unter dem Schutz des Gottes der kleinen Annehmlichkeiten. Man solle aber darüber hinwegsehen, die freundliche Atmosphäre genießen und so viel Kaffee trinken, wie man vertrüge. Schließlich sei Prenzlauer Berg das größte zusammenhängende Gründerzeitviertel Deutschlands und daher durchaus sehenswert. Weshalb ihm Dumont das zweifelhafte Gütesiegel verpasst: „Einfach hübsch“.

 

Sanierte Häuse, junge Besserverdienende und eine nicht zu verachtende Currywurst

 

Auch der Baedeker meint in seiner Ausgabe für Berlin und Potsdam: „Die autonom-alternativen Zeiten von ,Prenzl. Berg‘ neigen sich auch schon wieder dem Ende zu.“ Das schicke Ambiente der sanierten Häuser locke junge Besserverdiener aus dem Westen an; wahrhaft alternativ Gesinnte wanderten längst nach Friedrichshain ab. Auch die Kastanienallee hätte ihre besten Zeiten hinter sich. „Aus gutem Grund nennt man sie heutzutage Castingallee“, meint der Reiseführer. Und empfiehlt dann doch einen Besuch bei Konnopke, wo es eine „tatsächlich nicht zu verachtenden Currywurst“ gebe.

Vom verblassenden Mythos des Prenzlauer Bergs als Keimzelle der Wende und Nische im SED-Staat ist im Reiseführer für Berlin und Umgebung aus dem Michael Müller Verlag die Rede. „Heute ist Prenzlauer Berg ein etabliertes Wohnviertel für bessergestellte Jungfamilien“, heißt es; kulturgeschichtlich bedeutsame Sehenswürdigkeiten gebe es nicht. Dafür verfüge das Viertel aber nach wie vor über eine hohe Kneipendichte und reichlich urbanes Leben. Von Letzterem schwärmt auch der ADAC-Reiseführer – der empfiehlt jedoch auch in seiner Auflage von 2010 noch Magnet und Knaack als angesagte Clubs der Gegend.

 

Nur Backpacker wissen noch nichts vom Spießer-Image

 

Die Zeiten, in denen man in den Prenzlauer Berg reiste, um zu feiern, sind also vorbei. Nur bis zur Bibel der Rucksackreisenden, dem Lonely Planet, hat sich das neue Spießer-Image des einstigen Szene-Viertels noch nicht herumgesprochen. Zwar werden auch hier die Lärmprobleme der Clubs erwähnt – die Kastanienallee oder der Mauerpark mit seinem sonntäglichen Karaoke und dem Flohmarkt sind aber weiterhin Institutionen.

So wird von der Magie des Parks geschwärmt, von der relaxten Atmosphäre mit neo-hippie-Stimmung unter Menschen, die von den Lasten des Erwachsen-Werdens noch nichts wissen wollen. Die guten Englisch-Kenntnisse der Prenzlauer Berger werden gelobt, und die multikulturelle Zusammensetzung mit vielen Amerikanern, Briten und Spaniern. Nur die hohe Anzahl an Kinderwägen aller Klassen und Formen, auf die man sich einstellen solle, passen da nicht ganz ins Bild.

Doch so sehr sich die Reiseführer auch Mühe geben, die Stimmungen innerhalb des Viertels möglichst gut einzufangen und weiterzugeben – wie die Touristen selbst dann alles wahrnehmen, das können Sie nicht beeinflussen. Das zeigt ein Blick ins Internet, wo sich Reiselustige im Vorfeld über Unterkünfte und Ausflugsziele austauschen. Ob es sich denn lohne, mal in Prenzlauer Berg abzusteigen, fragt dort etwa ein junger Amerikaner. Ein Australier antwortet ihm, es sei ganz okay, nur etwas ab vom Schuss: Bis zum Zoo brauche man etwa 25 Minuten.

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