Geparkte Autos dienen Banden als Ersatzteillager

von Juliane Schader 6. Januar 2011

In keinem Viertel Berlins werden so viele Navigationsgeräte und Airbags aus geparkten Autos gestohlen wie in Prenzlauer Berg.

Es ist verdammt kalt. Alles, was man so früh an diesem winterlichen Morgen möchte, ist schnell ins Auto steigen, die Heizung aufdrehen und dann ab zur Arbeit. Doch wo einst das Schlüsselloch war, klafft nur ein Loch: Auto aufgebrochen, Navigationsgerät geklaut – schon wieder.

Wolfgang Schmidt wohnt im Bötzowkiez. Zweimal ist es ihm so ergangen. Kaum habe er das erste Gerät durch ein neues ersetzt, sei ihm auch dieses geklaut worden, erzählt er. Auch Nachbarn und Freunden sei es so ergangen. „Seit einem Jahr habe ich jetzt einfach kein Navi mehr“, meint Schmidt.

 

Mehr Diebstähle als in andere Bezirken, und die Zahl der Fälle steigt

 

„Wir haben festgestellt, dass seit 2008 in Prenzlauer Berg mehr Navigationsgeräte und auch Airbags entwendet werden als in jedem anderen Berliner Bezirk oder Ortsteil“, sagt Frank Millert, Pressesprecher der Berliner Polizei. So seien 2010 in den ersten drei Quartalen 231 Navigationsgeräte und 64 Airbags geklaut worden – insgesamt vierzig Diebstähle mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Verantwortlich sind dafür laut Millert internationale Banden, die sich zunehmend im Viertel herumtreiben. „Diese sind auf die Entwendung von Airbags oder Navigationsgeräten spezialisiert und decken einen bestimmten Bedarf, etwa an Sonderausstattungen und Ersatzteilen, ab“, sagt er. Da es sich bei dieser Art der Diebstähle um eine Art Auftragsarbeit handle, spiele auch immer die Automarke und der -typ eine Rolle. „Dazu kommen noch Fälle von Beschaffungskriminalität.“

Warum sich die Banden ausgerechnet in Prenzlauer Berg umsehen, lässt sich durch das verhältnismäßig hohe Einkommen der Bewohner und die dichte Besiedlung erklären: Hier parken neue Autos mit modernen Ausstattungen in großer Dichte einfach am Straßenrand. Garagen gibt es kaum; die letzten alten Autos sind längst der Einführung der Umweltzone oder der Abwrackprämie zum Opfer gefallen.

 

Airbags sind nicht frei verkäuflich, Navigationsgeräte sehr teuer

 

Die Zunahme der Fälle in den vergangenen zwei Jahren hat man auch in den Werkstätten schon bemerkt, wo die Wagen mit eingeschlagenen Scheiben oder aufgebrochenen Schlössern, aber ohne ihre moderne Technik landen. „Die Diebstähle erfolgen in Wellenbewegungen; in Hochzeiten reparieren wir zwei Autos pro Woche“, erklärt ein Mitarbeiter des Autohauses Prenzlauer Berg. Die gestohlenen Einzelteile wanderten meist nach Polen, wo mit ihnen etwa Unfallwagen wieder aufgerüstet würden. „Airbags kann man nicht einfach auf dem freien Markt beziehen; bei den Navigationsgeräten ist es der hohe Preis, der den Diebstahl so lukrativ macht.“

Dabei hat der Mitarbeiter, die lieber nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen möchte, eine Beobachtung gemacht: „Vom Navi-Klau sind meint Volkswagen betroffen“, meint er. Zum einen liege das daran, dass VW eine populäre Automarke sei und damit ein Massenprodukt. Zum anderen werde es den Dieben bei VW-Modellen jedoch auch besonders einfach gemacht, da das Navi als ein kompletter Block eingebaut sei, den man nur herauszunehmen brauche. „Beim Opel etwa ist die Bedieneinheit getrennt vom Display installiert, was einen Diebstahl viel schwieriger macht.“

 

VW rät seinen Kunden, sich eine Garage zu mieten

 

Eine Erfahrung, die auch Wolfgang Schmidt gemacht. „Ich fahre einen Volkswagen, und nach dem zweiten Diebstahl und einem entsprechenden Hinweis aus meiner Werkstatt habe ich mich mit VW in Verbindung gesetzt“, erzählt er. „Zurück kam nur der Rat, ich solle mir doch eine Garage mieten.“

Bis jetzt hat Volkswagen eine entsprechende Anfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten nicht beantwortet. Die Polizei rät derweil, keine Wertsachen in den Autos zu lassen oder mobile Navigationsgeräte sicher und nicht von außen sichtbar zu verstauen. „Fahrzeuge mit fest eingebauten Navigationsgeräten sollten möglichst auf verschlossenen beziehungsweise überwachten Stellplätzen abgestellt werden“, meint Polizeisprecher Millert. Zudem überwachten die Streifendienste der Polizei regelmäßig die Wohngebiete und führten Kontrollen durch.

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