Hinter den Hecken

von Thomas Trappe 26. Juni 2014

In den dunkelsten Ecke des Thälmannparks campen seit Neuestem obdachlose Osteuropäer, unter schlimmsten Bedingungen. Auf Unterstützung können sie nicht hoffen.

Wer sich von der Prenzlauer Allee kommend in den Thälmannpark begibt, das Planetarium hinter sich lässt und sich traut, die zugemüllten Trampelpfade zwischen den Hecken zu beschreiten, so lange, bis er schon zweimal gedacht hat, jetzt sollte man aber mal umkehren, der wird einen ganz neuen Eindruck bekommen, was Public Viewing in Prenzlauer Berg alles bedeuten kann. In diesem Fall: In ihrem eigenen Müll zeltende Osteuropäer, die den seltenen Besuch um eine Zigarette bitten, sichtlich mitgenommen. Ein paar Meter weiter ein Mann, der hinter weiterem Gebüsch und dicht gepresst an den Zaun zur S-Bahn in einem Schlafsack liegt, bewacht von seinem Hund. Ein obdachloser Pole, bei dem Anderen ist nichts in Erfahrung zu bringen – sie haben hier seit ein paar Tagen ihre Unterkunft. Sie wirken nicht wie Fußball-Touristen. Trotzdem glaubt man beim Ordnungsamt, dass die Wild-Camper im Zusammenhang mit der WM stünden. „Wir gehen davon aus, dass sich die Lage nach Ende des Public Viewings im Thälmannpark wieder beruhigt”, erklärt der zuständige Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU).

Am vergangenen Freitag machte uns ein Leser darauf aufmerksam: Im Thälmannpark, neben der Grundschule und am Spielplatz neben dem Planetarium, würden Zelte stehen, zwischendurch auch mal ein drittes auf dem angrenzenden Hügel. Der Leser vermutete Rumänen, sechs hätten stark alkoholisiert vor ihrem Zelt gesessen und Passanten um Geld gebeten. Das Ordnungsamt, dass der Leser daraufhin informiert habe, hätte ihm mitgeteilt, dass die Mitarbeiter nur leere Zelte vorgefunden hätten und nichts tun könnten. Schließlich, so die letzte Meldung, habe der Leser die Polizei informiert. Die Zelte seien aber immer noch da. Bei einem Besuch stellt sich nun raus: Die Bewohner sind mit ihren Zelten umgezogen, in eine für Anwohner und Passanten nicht einsichtige Stelle. Hochgradig alkoholisiert und in einem bedenkenswerten Zustand sind die Obdachlosen offenbar immer noch.

 

Vor den Ordnungskräften geflüchtet

 

Dass die Situation für Wohnungslose aus Osteuropa in Prenzlauer Berg in den vergangenen Monaten nicht besser geworden ist, sieht man an der Entwicklung in der Prenzlauer Allee, zum Beispiel. Bettelnde Roma sind gehäuft an der S-Bahn-Station und in der Umgebung zu sehen. Gleichzeitig hat eine zentrale Anlaufstelle eben für diese Menschen geschlossen. Die Notunterkunft des mob e.V. in der Prenzlauer Allee 87 musste Anfang des Jahres wegziehen, Ersatz gab es nicht. Gleichzeitig steigt die Zahl von Asylbewerbern in ganz Berlin und Prenzlauer Berg, Platz fehlt für sämtliche Bedürftige. Es scheint also fast folgerichtig, dass sich nun Obdachlose mit Zelten im angrenzenden Thälmannpark einrichten – eine der einzigen denkbaren Flächen in Prenzlauer Berg, wo das möglich ist. 

Die Vermutung von Stadtrat Kühne, es handle sich dabei um eine Begleiterscheinung der Fußball-WM, ist darin begründet, dass die Zelte offenbar im Zuge der Aufbauten des Public-Viewing-Areals neben dem Planetarium aufgestellt wurden, im Windschatten der Fußball-Euphorie, wenn man so will. Von dem obdachlosen Polen, der weder Deutsch noch Englisch spricht, sind derartige Beweggründe allerdings nicht zu vernehmen. Er erklärt, dass er seit fünf Tagen im Park campiere und nun hinter den Büschen sein Zelt aufgeschlagen habe, weil Ordnungskräfte ihn nicht im Park haben wollten. Dass er nur noch ein paar Tage bleiben will, sagt er nicht.

 

Zahl osteuropäischer Obdachloser steigt

 

Stadtrat Kühne erklärt, dass im Thälmannpark regelmäßig Mitarbeiter des Ordnungsamtes patrouillierten „und gegebenenfalls das Abbauen von Zelten anordnen und Platzverweise aussprechen”. Wozu das führt, ist gerade zu beobachten: Die Obdachlosen weichen auf Gebüsche aus, in denen sie von Anwohnern und Behörden nicht gesehen werden. Dass es in den kommenden Sommermonaten mehr werden, steht dabei zu befürchten.

In der Berliner Stadtmission jedenfalls beobachtet man seit Längerem, dass vor allem Obdachlose aus Ost- und Südosteuropa verstärkt nach Berlin ziehen, erklärt Sprecherin Ortrud Wohlwend. „Vor allem deswegen, weil bekannt ist, dass es in der Stadt ein sehr gutes Hilfsnetz gibt.” Obdachlose bekämen Essen, Kleidung, Beratung. Nur das eine fehle: Wohnraum. In Pankow, so erklärt die für die Stadtmission in Pankow zuständige Mitarbeiterin Silke Kranz, „könnten wir ein weiteres großes Haus aufmachen, in fünf Minuten wäre das voll”. Osteuropäer gebe es in ihrem „Haus der Begegnung” in der Berliner Straße kaum bis gar nicht, aus einem einfachen Grund. „Sie bekommen keine Sozialhilfe, und damit werden für sie auch keine Wohnkosten übernommen.“ Vielen bliebe dann nichts anderes übrig, als auf der Straße zu übernachten. Oder aber im Thälmannpark. Dort, wo sie niemand sieht. Und niemand merkt, wenn sie Hilfe brauchen.

 

 

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