Nachts splittert das Glas

von Anja Mia Neumann 11. Februar 2015

Immer wieder werden Fassaden von Neubauten in Prenzlauer Berg zerstört. Des Nachts fliegen Pflastersteine oder es wird mit Hämmern zugeschlagen. Die Polizei spricht von linksmotivierten Straftaten.

Das verspiegelte Glas der schicken Neubau-Fassade in der Schliemannstraße 10 ist gesplittert. Links hängen Fotos von Babys, mit denen ein Fotograf für seine Neugeborenen- und Familienfotoshootings wirbt, rechts ist der Eingang zu einem Kinderarzt. In der Eingangstür zu den Wohnungen und im Fenster nebendran klaffen ein knappes Dutzend Löcher, darüber hat jemand eine Folie geklebt, damit sich niemand verletzt. Sie sehen aus, als habe jemand große Zerstörungswut oder –lust gehabt.

Solche Bilder der Sachbeschädigung bieten sich den Prenzlauer Bergern im Kiez immer wieder – vor allem Neubauten mit großen Glasfronten sind betroffen. Aber auch Immobilien- und Architekturbüros. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt in mehreren Fällen: Für die Jahre 2013 und 2014 hat er in Prenzlauer Berg je rund ein Dutzend solcher politisch motivierten Straftaten ausgemacht.

 

Der Staatsschutz ermittelt

 

Die Täter sind laut Polizei linke Gentrifizierungsgegner. Die Motive stünden „in Zusammenhang mit der Ablehnung und der Kritik an der Stadtumstrukturierung“, teilt sie mit. Von einer außergewöhnlichen Häufung oder gar Serie will die Polizei nicht sprechen und auch ansonsten hält sie sich bedeckt – aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es in solchen Fällen immer heißt. Dennoch haben die Zivilfahnder und Streifenpolizisten ein besonders Augenmerk auf bekannte Tatorte und erstatteten bei Entdeckung auch selbst Anzeige, heißt es von der zuständigen Polizeiwache.

Mitpreis-Wut, Verdrängung und Luxus-Sanierung sind nach Ansicht vieler Anwohner die Gründe für die Zerstörung. Im vergangenen Jahr hatte es einen Anschlag auf das Luxus-Wohnprojekt Marthashof in der Schwedter Straße gegeben. Mehrere Menschen waren in einer August-Nacht auf das Gelände gekommen und hatten 28 Glasscheiben beschädigt. Auf ihrer Flucht mit Fahrrädern verstreuten sie so genannte Krähenfüße, kleine Wurfeisen mit Stiften, um ihre Verfolger zu stoppen.

 

Militanter Besuch mit Hämmern

 

Damals veröffentlichten die Täter sogar ein Bekennerschreiben im Internet. Darin schreibt die autonome Gruppe unter anderem, sie habe der Anlage „mit Hämmern einen militanten Besuch abgestattet“. Für Gentrifizierungsgegner gilt der Marthashof als „Dorf der Reichen“.

Ähnliches erlebten die Bewohner eines Neubaus in der Pasteurstraße im vergangenen Jahr. In der Nacht hörten sie knallende Geräusche und verständigten die Polizei: Zwei Wohnungsfenster und die Schaufensterscheibe eines Büros waren beschädigt. Etwa zeitgleich zerstörten vermutlich die gleichen Täter in der Schwedter Straße fünf Scheiben eines unvermieteten Geschäfts. An beiden Tatorten wurden Pflastersteine auf dem Gehweg gefunden.

In der Schliemannstraße muss nun geklärt werden, wie die kaputte Fassade repariert wird. Für das Architekturbüro, das den Neubau für das Jahr 2011 geplant hat, ist es wohl ein Vorzeigeprojekt gewesen. Auf ihrer Webseite heißt es: „Der hohe Glasanteil mit raumhohen Fenster-Schiebeelementen an der Fassade setzt das Leben in den Wohnungen mit der Lebendigkeit der Straße in Bezug.“

 

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