Luxussanierung voraus

von Anja Mia Neumann 22. Juli 2015

Ein Eckhaus am Senefelderplatz hat einen neuen Eigentümer. Der will sanieren und kündigt im Internet schon mal Eigentumswohnungen an. Bedroht sehen sich auch zwei Traditionslokale.

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem schönen Eckhaus. Altbau, zentral, denkmalgeschützt, der Hausflur na ja, etwas heruntergekommen, technisch aber alles in Ordnung, die letzte Modernisierung war vor sechs Jahren. Nicht schick, aber urban und irgendwie noch etwas alternativ. Rundum: Sie fühlen sich wohl mit dem, wie es ist. Unten in Ihrem Haus sind zwei Kneipen, Institutionen mit Tradition im Kiez, gut besucht.

Und dann bekommen Sie einen Brief: „Das Objekt wurde zum Zweck der Sanierung erworben.“ Zwei Jahre werde die Modernisierung dauern. Gespräche mit dem neuen Eigentümer werden angekündigt. Die aber folgen nicht. Sie stehen vor einem Rätsel. Im Internet steht: „Das Gebäudeensemble ist ein Einzeldenkmal, in dem 19 hochwertige Eigentumswohnungen und drei ansprechende Gewerbeeinheiten entstehen werden.“

Bauarbeiter gehen im Haus ein und aus, kratzen an den Hausflurwänden, legen alte Malereien frei, von außen wird ein Stück Fassade eingerüstet und Putz abgetragen.

 

Mieter zogen aus, die Wohnungen blieben leer

 

Alles schreit nach Luxussanierung in dem Haus an der Ecke Kollwitzstraße 2 und Saarbrücker Straße 17. Thomas Wolf, 47 Jahre alt, wohnt hier seit 13 Jahren. Seine Angst: Er und andere Mieter sollen verdrängt werden. „Wir fühlen uns subtil unter Druck gesetzt“, sagt der Vater dreier Kinder. Informationen zu Grundrissen, Preisen und hochwertigen Ausstattungen erscheinen im Internet und verschwinden wieder. Auch von eindeutig bewohnten Wohnungen. Von einem Penthouse auf dem Dach ist die Rede.

Das Haus ist eines der wenigen unsanierten rund um den Senefelderplatz. Foto: Anja Mia Neumann

 

Mittlerweile sind nur noch rund die Hälfte der Wohnungen, nämlich acht an der Zahl, in dem Eckhaus vermietet. „Wir hätten schon hellhörig werden müssen, als Mieter auszogen und ihre Wohnungen nicht mehr neu vermietet wurden“, meint Wolf, als er zurückblickt.

 

Unsichere Zukunft der Traditionslokale im Erdgeschoss

 

Käufer des Gebäudes ist die KSJ 2014 GmbH. Hinter ihr steckt derselbe Geschäftsmann wie hinter dem Haus in der Schöneberger Grunewaldstraße 87, das mit Verwahrlosung und schlimmen hygienischen Bedingungen schon von sich Reden machte. Hier gehen die alten Mieter davon aus, dass der Mann mit Schikane versuchen möchte, sie zu vergraulen. Um dann die Wohnungen für gutes Geld verkaufen zu können. Gleiches fürchten die Kollwitz-Mieter und stellen jeden Fitzel, den sie an Informationen zu ihrem Haus finden können, in ihr Blog.

Im Erdgeschoss gibt es (noch) die zwei alteingesessenen Kneipen „Chagall“ und „Courage“. Sollte es nach der Modernisierung ausschließlich Luxuswohnungen geben, sieht die Betreiberin des Courage schwarz für ihren Laden. Und meint: Gerüche wie es sie eben in einer Gaststätte gibt, sind dann wohl nicht willkommen.

„Wenn Tradition und Denkmalschutz, dann doch richtig“, fordert Marina Martin. Sie erzählt, dass in den Räumen schon seit 1875 eine Restauration sei. „Das wurde damals so geplant und bis heute durchgezogen.“ Noch heute gibt es hier Alt-Berliner Flair und Live Musik.

 

Politiker beratschlagen sich mit Mietern

 

Inmitten der Plüschsofas und Stehlampen vom Courage saßen vor kurzem zwei Mitglieder des Abgeordnetenhauses, Stefan Gelbhaar und Andreas Otto, und Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (alle Grüne). Zusammen mit betroffenen Mietern aus dem Eckhaus. Sie beratschlagten die Situation.

Denn: Legal lassen sich die Wohnungen gar nicht zu Eigentumswohnungen machen. Sie befinden sich in einem Milieuschutzgebiet, es gilt die Umwandlungsschutzverordnung. Für den Verkauf ist eine Ausnahmegenehmigung nötig und einen Antrag gebe dafür bislang nicht, sagt Kirchner. „Die Polizei ist informiert und sensibilisiert.“ Allein dieser Satz zeigt, mit welchem Ausmaß die Beteiligten rechnen.

Die verbliebenen Mieter im Haus haben Zettel an ihre Briefkästen geklebt – nachdem ihre Namen entfernt worden waren. Foto: Anja Mia Neumann

 

Ob die Sorge der Mieter berechtigt ist, dass sie verdrängt werden sollen? Was genau die Pläne mit dem Gebäude sind? Der neue Eigentümer schweigt dazu und lässt Anfragen unbeantwortet. So harren die Mieter weiterhin auf Informationen. In zwei Jahren soll die Modernisierung schließlich – laut ursprünglicher Ankündigung – abgeschlossen sein.

Für die beiden Kneipen besteht rechtlich weniger Hoffnung aufs Bleiben als für die Mieter der Wohnungen. „Da soziales Erhaltungsrecht ausschließlich für die Wohnbevölkerung besteht, können wir für die Gewerbemieter so gut wie nichts machen“, sagt Stadtrat Kirchner. Wenn es tatsächlich so kommt, droht ein Stück Prenzlauer Berger Stadtgeschichte mit dem Courage zu verschwinden. Die größte Befürchtung der Betreiberin: Aus ihrem Lokal wird ein austauschbares Kaffeehaus mit Coffee to go in Pappbechern.

 

Wir sind eine werbefreie Mitgliederzeitung. Wenn Sie den Erhalt der Prenzlauer Berg Nachrichten sichern und Mitglied werden wollen, bitte hier entlang. Vielen Dank!

Wenn Sie schon Mitglied sind, können Sie den Link unten im Kasten teilen und diesen Artikel so Ihren Freunden zum Lesen schenken.

Das könnte Dich auch interessieren

Hinterlasse einen Kommentar