Kastanienallee: Tempo 30 muss (immer noch) warten

von Thomas Trappe 5. Oktober 2015

Das Verwaltungsgericht hat mal wieder eine Entscheidung der Verkehrslenkung zerpflückt. Mit Tempo 50 ist es hier zu laut, sagen die Richter. Die Planer beeindruckt das nur mäßig.

Wenn die Verkehrslenkung Berlin (VLB) bremst, kann es schon mal ein bisschen schneller werden. 20 Stundenkilometer schneller, um genau zu sein, in der Kastanienallee, um noch genauer zu sein. Der Kampf eines Anwohners, dass hier in der Straße wegen Lärmschutzes Tempo 30 eingeführt wird, dauert nun schon seit 2012, genauso lange die Gegenwehr der für solch einen Beschluss zuständigen VLB. Und eine rechtssichere Entscheidung wird wohl auch noch lange auf sich warten lassen, was besonders deshalb ärgerlich ist, weil der Anwohner Recht bekommen hat. Und zwar vom Verwaltungsgericht Berlin, vor wenigen Wochen. Die Entscheidung der VLB, Tempo 30 abzulehnen, hieß es in dem Vergleich, sei kaum nachvollziehbar. Bereits vor einem Jahr kassierte die VLB eine ähnliche Schlappe, es ging damals um die Radwegbenutzungspflicht (darüber und auch über die Vorgeschichte der Tempo-30-Klage berichteten wir ausführlich hier). 

2012 hatte der Anwohner, der lieber ungenannt bleiben will, eine Lärmmessung in der Kastanienallee beantragt. Dabei stellte sich heraus, dass aufgrund der Lärmbelastung durch die Straßenbahn zwischen 22 und 6 Uhr Tempo 30 angeordnet werden müsste – wenn man den Lärm der Straßenbahn nicht einfach ausklammerte, wie es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zulasse. Genau damit begründete die VLB nämlich dann, den Antrag des Anwohners auf nächtliches Tempo 30 abzulehnen. Der Anwohner widersprach und bekam später eine weitere Begründung vorgelegt, warum Tempo 30 nicht machbar sei: Es käme dadurch zu unzumutbaren Verspätungen bei der Straßenbahn. Gegen diese Begründung widersprach er erneut, das wurde von der VLB abgewiesen. Was dann schließlich zu einer Klage des Anwohners und zur mündlichen Verhandlung vor dem Berliner Verwaltungsgericht Anfang September führte. Und, tatsächlich: Wieder eine Klatsche für die VLB.

Die Verkehrslenkung überlegt sich was

 

Wie schon bei der Frage der Benutzungspflicht des Radweges in der Kastanienallee gaben die Richter auch bei der Tempo-30-Frage dem Kläger nahezu komplett recht. „Das Gericht weist darauf hin, dass gewisse Zweifel an der Richtigkeit der Ermessensausübung besteht“, heißt es in der Abschrift der mündlichen Verhandlung. Das Interesse an nächtlichem Lärmschutz bekomme aufgrund der ja prinzipiell unstrittigen Grenzwertüberschreitungen „nicht unerhebliches Gewicht“. Im Gegenzug habe die VLB nur schwache Gegenargumente gebracht. So sei zu „bedenken, dass die im Verfahren angehörte BVG (Berliner Verkehrsbetriebe, red.) zu möglichen Verzögerungen durch Tempo 30 geäußert hat, dass negative Auswirkungen auf den öffentlichen Personennahverkehr durch die Anordnung von Tempo 30 überschaubar wären“. Regelrecht ironisch klingt dann dieser Satz: „Bei einer erneuten Ermessensausübung müsste daher gewichtet werden, welche Bedeutung einer verlängerten Umsteigezeit, wie sie die BVG ausführt, zukommt, zumal diese ja selbst davon ausgegangen ist, dass dem kaum eine Bedeutung zukommt.“

Nach dem deutlichen Statement erklärte sich die VLB in der Verhandlung bereit, den Widerspruchsbescheid aufzuheben, ein Urteil musste nicht mehr verkündet werden. Allerdings wurde damit dem Antrag des Anwohners von der VLB nicht stattgegeben. „Mit Aufhebung des Widerspruchsbescheides liegt das Verfahren wieder der Widerspruchsstelle zur Entscheidung vor“, erklärt Petra Rohland, stellvertretende Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, zu der die VLB gehört. „Es gilt weiterhin Tempo 50 im beklagten Abschnitt“, so Rohland. „Die VLB wird unter Berücksichtigung der richterlichen Hinweise neu entscheiden.“

Ein Zeitrahmen wird in der Antwort nicht genannt. Nicht ohne Grund, meint der Anwohner und Kläger, der entschlossen ist, so lange weiter vor Gericht zu gehen, bis nachts Tempo 30 in der Kastanienallee gilt. „Ich fürchte, die VLB wird mir auch im neuen Widerspruchsbescheid nicht entgegen kommen“, sagt er. „Sondern eher auf Zeit spielen. Die habe ich aber.“

 

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