Warten statt starten

von Susanne Grautmann 7. Juli 2015

Freizeitangebote für Kinder in Prenzlauer Berg sind überlaufen – zumindest die kommunalen. Nach wenigen Minuten sind etwa Musikkurse ausgebucht. Private Anbieter nutzen die langen Wartezeiten für sich.

Wer in Prenzlauer Berg lebt, muss schnell sein. Sehr schnell sogar. Zum Beispiel dann, wenn er sein Kind für einen Kurs an der kommunalen Musikschule in der Senefelder Straße anmelden möchte. Das „Instrumentenkarussell“, ein Kurs also, in dem die Kinder verschiedene Instrumente kennenlernen können, war in diesem Jahr nach nur neun Minuten ausgebucht.

Dabei war eigentlich eine Anmeldefrist von vier Tagen vorgesehen. Doch nach Ablauf der Frist teilte die Musikschule den Bewerbern mit: „Der Andrang war so groß, dass bereits um 19.09 Uhr alle Plätze vergeben waren“. Und das, obwohl die Teilnahme an dem Kurs ohnehin schon auf Kinder des Jahrgangs 2009 begrenzt worden war.

Wer sein Kind nun alternativ für einen Instrumentalkurs an der Musikschule anmelden will, Gitarre vielleicht oder Schlagzeug, braucht dafür einen langen Atem. Die durchschnittliche Wartezeit bis zur Aufnahme in einen Kurs liegt bei etwa einem Jahr. Wer sich trotzdem anmeldet, dem bestätigt die Musikschule, dass die Anmeldung für zwölf Monate gilt.

 

Anderes Beispiel, gleiches Szenario

 

Und wenn es dann immer noch nicht geklappt hat mit dem Musikkurs? „Sollte Ihr Kind in diesem Zeitraum nicht mit Instrumentalunterricht versorgt sein und weiterhin Interesse an einer Ausbildung an unserer Musikschule haben, müssten Sie in einem Jahr Ihr weiteres Interesse bekunden (…).“ Aha. Soll wohl heißen: Falls Sie sich in einem Jahr noch daran erinnern, dass Sie auf unserer Warteliste stehen, geben Sie uns ein Zeichen!

Familien hier kennen das seit Jahren: Alles belegt, die Wartelisten sind voll. Auch beim Sport muss man sich sputen, noch bevor es losgeht: Der Sprecher der Berliner Bäder-Betriebe (BBB), Matthias Oloew, schätzt, dass die Anmeldungen für die Schwimmkurse der BBB in Prenzlauer Berg die Kapazitäten um 50 bis 100 Prozent übersteigen.

Die öffentliche Infrastruktur in Pankow hält einfach nicht Schritt mit dem ungebrochenen Bevölkerungswachstum. Das Geld für neue Investitionen fehlt, und selbst der Erhalt der vorhandenen Strukturen stellt den Bezirk vor erhebliche Probleme. Ein alter Hut. Sowohl das Land Berlin, als auch der Bezirk Pankow sind hoch verschuldet.

 

Die Politik kämpft mit Einsparungen

 

Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) sagt: „Wir kämpfen seit der Jahrtausendwende mit permanenten Einsparungen. Dabei gleicht das Bevölkerungswachstum hier seit dem Jahr 2010/11 einem Flächenbrand.“ Pankow sei der am stärksten wachsende Bezirk Berlins. Zwischen 2003 und 2014 wuchs der Bezirk um fast 45 000 Menschen, wie aus dem Vergleich der Berichte des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg für diese Jahre hervorgeht.

Die nötigen Einsparungen trafen Musikschulen, Bibliotheken und Sportanlagen empfindlich. Aus den Jahrbüchern des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg geht hervor, dass es im Jahr 2003 noch 18 Bibliotheken und sechs Musikschulen in Pankow gab. Zehn Jahre später waren es nur noch acht Büchereien und vier Musikschulen. Die Zahl der Sportfelder schrumpfte in der gleichen Zeit von 105 auf 97, die der öffentlichen Bäder in Pankow von sechs (2004) auf fünf (2013).

 

Was ist mit Hartz-IV-Empfängern?

 

Viele der entstandenen Lücken füllen nun private Anbieter. Nur sind deren Angebote in der Regel deutlich teurer. Für das Instrumentenkarussell sind an der kommunalen Musikschule zum Beispiel rund 230 Euro für ein halbes Jahr fällig, an einer privaten Schule sind es schon um die 290 Euro. Zudem gibt es für sozial benachteiligte Familien an der Musikschule des Bezirks eine Kostenermäßigung. Die Einsparungen können hier bis zu fünfzig Prozent betragen.

Für Kurse an privaten Einrichtungen können Familien, die Hartz IV-Leistungen beziehen, zwar auf Antrag Zuschüsse aus dem „Hartz IV Bildungspaket“ erhalten. Diese Zuschüsse sind für sogenannte „Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“ vorgesehen. Sie liegen jedoch nur bei bis zu 10 Euro pro Monat.

So belegen die Einen privaten Geigenunterricht und Schwimmkurse in kleinen Gruppen, während die Anderen auf der Warteliste stehen. Und einige wenige glückliche Kinder – der Eltern mit dem schnellsten Klick oder der längsten Ausdauer – können die kommunalen Angebote nutzen.

 

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