Wo die wilden Tiere wohnen

von Juliane Schader 8. Oktober 2013

Auch Fledermäuse leben gerne in Altbauten. Doch wenn die Häuser saniert und Dachgeschosse ausgebaut werden, verlieren die Tiere ihren Wohnraum. Dabei stehen sie unter Schutz.

Der Anlass für diesen Text wohnt im Hinterhof. Sobald es anfängt, zu dämmern, taucht er in Form eines kleinen Tieres zwischen Seitenflügeln und Himmel auf und beginnt seine Jagd. Permanent die Richtung wechselnd geht es dann kreuz und quer durch den Hof, manchmal scheint die Kollision mit dem nächsten Fenster unausweichlich. Doch das Echoortungssystem der Fledermaus funktioniert hervorragend.

Irgendwann sind dann genug Insekten erbeutet und das Tier kriecht zurück in sein Versteck im Dachboden. Denn der ist noch nicht ausgebaut, die Fassade noch nicht saniert. Zwischen losen Dachpfannen oder in Löchern im Putz finden sich überall in Prenzlauer Berg noch ausreichend Quartiere. Besonders Zwerg- und Breitflügelfledermäuse sind hier zu Hause. Genaue Zahlen, wie viele es sind, gibt es leider nicht. Dafür steht etwas anderes fest: Mit Sanierungen und dem Ausbau von Dachgeschossen wird auch für sie der Wohnraum knapp.

 

Dachziegel mit Fledermaushaus inklusive

 

„Je maroder ein Gebäude ist, desto besser ist es für die Fledermäuse“, erklärt Klemens Steiof. Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ist er für Naturschutz zuständig. Unter diesem stehen auch Fledermäuse. Per Gesetz ist vorgegeben, dass bei Baumaßnahmen ihre alten Quartiere erhalten oder neue eingerichtet werden müssen. Dafür gibt es zum Beispiel spezielle Dachziegel, in denen kleine Höhlen integriert sind. „Dieser Ersatz kostet kaum etwas“, meint Steiof. Die Masse der Fledermausheime verschwände dennoch unbemerkt.

Der Grund dafür ist die etwas schwammige Rechtslage. Zwar sind Bauherren verpflichtet, Rücksicht auf die Tiere zu nehmen. Es muss aber vor Baubeginn nicht kontrolliert werden, ob das Haus noch andere Bewohner hat. Nur wenn ein konkreter Hinweis vorliegt, rückt ein Experte aus und legt fest, was passieren muss. Neben dem Bau von Ersatzquartieren kann das im Extremfall auch mal einen Baustopp bedeuten, weil eine Fledermaus gerade Winterschlaf hält und dabei nicht gestört werden darf.

Auf so eine unplanmäßige Verzögerung ist nicht jeder Immobilienbesitzer versessen. Darum sind die Tiere auf die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn angewiesen: Wer weiß, dass in seinem Haus Fledermäuse leben und bald Bauarbeiten anstehen, der wendet sich am besten an das Umwelt- und Naturschutzamt im Bezirk. Nur so kann derzeit sichergestellt werden, dass die bedrohten Tiere auch wirklich geschützt werden.

 

Fledermaus-Finden leicht gemacht

 

Tobias Teige vom Nabu Berlin gehört zu den Experten, die anrücken, wenn man vor Baubeginn von den Fledermäusen weiß. „Zum einen suche ich mit dem bloßen Auge oder dem Endoskop nach möglichen Quartieren oder Spuren der Tiere“, erklärt er. Zum anderen könne er sich auch abends vor das Haus stellen und einfach in den Himmel schauen. Flatternde Fledermäuse übersieht man nicht.

Wird er fündig, muss anders als bei menschlichen Sanierungsopfern keine Umsetzwohnung zur Verfügung gestellt werden – darum kümmern sich die Tiere schon selbst. Sie wechseln eh regelmäßig ihre Unterkünfte. Wichtig ist nur, dass sie es überhaupt dahin schaffen: Manchmal reicht eine Dämmplatte, um eine ganze Gruppe Fledermäuse in ihrem Quartier einzuschließen und damit zu töten. „Von so einem Verlust erholt sich die Population nur schwer“, meint Teige.

 

Nein, keine Vampire

 

Bleibt nur noch eine Frage: Schützenswerte Fledermausnachbarn schön und gut – aber übertragen die nicht Tollwut? Ja, das sei zwar richtig, sagt der Experte. Allerdings sei dafür ein direkter Kontakt nötig. Wer eine Fledermaus anfassen müsse, für den reiche schon ein Tuch als Schutz. Und wer muss schon eine Fledermaus anfassen? „Die Tiere greifen Menschen nicht an“, meint Teige. Da bestände wirklich keine Gefahr.

Wer sich trotzdem erschreckt, wenn ihm an einem lauen Sommerabend eine Fledermaus durchs geöffnete Fenster flattert, dem rät Teige vor allem, nicht in Panik zu verfallen. Türen zu und Fenster auf reiche oft schon. Ansonsten helfe auch hier das bezirkliche Naturschutzamt; die Telefonnummer mancher Fledermausschützer lasse sich auch ergoogeln.

Nur von Anrufen nachts um halb zwei bittet Teige abzusehen. Offenbar spricht er auf Erfahrung.

 

Foto: Mnolf / CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons

 

 

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