Die Ratten vom Helmholtzplatz

von Kristina Auer 1. November 2016

Am Helmholtzplatz sind die Ratten los. Der Bezirk geht jetzt gegen sie vor. „Wie Halloween, nur in echt“, nennt das der zuständige Stadtrat.

„Ich sehe die Ratten immer früh morgens auf der anderen Straßenseite herumspringen. Aber solange sie draußen bleiben, macht es mir nicht viel aus“, sagt Theresa, die in der Bäckerei Zuckermühle in der Lettestraße arbeitet. Und dürfte nicht die einzige sein, der am Helmholtzsplatz dieser Tage öfter mal eins der ungeliebten Tiere über den Weg läuft. Denn auf dem Platz sind die Ratten los: Seit Montag bekämpft das Bezirksamt das Unkraut unter den Wildtieren in einer groß angelegten Aktion. So werden rund um den Platz  Büsche gestutzt, Zäune aufgestellt und Giftköder ausgelegt. Das Straßen- und Grünlflächenamt und die Berliner Wasserbetriebe haben Schädlingsbekämpfer beauftragt, die Rattenpopulation am Helmholtzplatz in den Griff zu bekommen.

Es soll in Städten ja gemeinhin mehr Ratten geben als Einwohner. Und allem Anschein nach trifft das auch für Prenzlauer Berg zu: Mehrfach sind an manchen Ecken im Stadtteil schon regelrechte Plagen ausgebrochen. Am Arnimplatz und in der Michelangelostraße war das Bezirksamt schon aktiv, um die schädlichen Nagetiere zu bekämpfen. Jetzt hat es also den Helmholtzplatz getroffen. „Es handelt sich um ein normales Ausmaß eines Rattenbefalls“, sagt der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Gründe). Ab und zu vermehren sich die Ratten zu stark, so Kirchner. Dann gebe es nicht mehr genug Nahrung für die vielen Tiere und sie gingen auch tagsüber auf Nahrungssuche. „In solchen Fällen schreiten wir dann ein“, sagt Kirchner. Laut dem Stadtrat ist der Helmholtzplatz nur einer von vielen Ratten-Hotspots in Prenzlauer Berg: Der Mauerpark, der Park am Planetarium und der berüchtigte Arnimplatz zählen ebenfalls dazu.

Diese glückliche Ratte ist uns vor einiger Zeit auf dem Arnimplatz begegnet.

(Foto: Ann-Kathrin John)

 

Gefundenes Fressen

 

Letztendlich könnten sich die Ratten aber nur so gut vermehren, weil sie so viel zu fressen fänden, so Kirchner. Essensreste, die Besucher zurückließen, seien ein im wahrsten Sinne gefundenes Fressen. Auch etwas unappetitlichere Hinterlassenschaften könnten die Schädlinge anziehen. „Die Ratten fressen auch den Inhalt befüllter Babywindeln, die Leute einfach liegengelassen haben“, sagt der Stadtrat. Daher appeliert das Bezirksamt auch an alle Bürger zur Mithilfe bei der Rattenbekämpfung, indem sie den Helmholtzplatz von allem potentiellen Rattenfutter rein halten.

An so gut wie jedem Laternenpfahl auf dem Platz leuchtet den Besuchern nun also das neonorangene Schild der Schädlingsbekämpfungsfirma entgegen, das vor den ausgelegten Ködern warnt. Die Bauzäune um die Beete dienen dazu, vor allem Hunde und Kinder von den giftigen Fallen fernzuhalten. Die Herrengruppe, die sich auf den Parkbänken auf der Seite der Lettestraße zusammengefunden hat, beunruhigt das nicht. „Ratten gab’s hier schon immer, das ist doch in einer Stadt ganz normal“, sagt einer von ihnen. Marina und Loreen, die mit ihren Kindern den Spielplatz besuchen, zeigen sich da schon besorgter. „Ich habe hier selber noch keine Ratten gesehen, aber beunruhigend finde ich das schon“, sagt Loreen. „Die Tiere können ja Krankheiten und Bakterien übertragen.“

 

„Wie Halloween, nur in echt.“

 

„An einem Spielplatz sind auch schon ein oder zwei Ratten zu viel,“ findet auch Schädlingsbekämpfer Mario Heising, den wir schon mal bei einem Einsatz begleitet haben. Das Eingreifen des Bezirks gehe meistens darauf zurück, dass die Ratten von Parkbesuchern gesehen würden. „Dass man sie sieht, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass dort besonders viele Ratten sind“, sagt Heising. Um eine Rattenpopolation am Helmholtzplatz ganz zu vermeiden, müsste die Bepflanzung dem Spezialisten zufolge fast ganz zurückgeschnitten werden. Auf diese Weise hätten die Tiere keine Rückzugsmöglichkeiten mehr. Dass sich Ratten tatsächlich von Baby-Exkrementen ernähren, bezweifelt Schädlingsbekämpfer Heising.

Stadtrat Kirchner kann eine gewisse Begeisterung für die Ratten indes nicht verbergen: „Das sind eigentlich total coole Tiere, die sind sehr schlau.“ Bei den Überschwemmungen im Juli seien sehr viele Ratten ertrunken. Inzwischen haben sich die Bestände laut Kirchner aber schon wieder erholt, zum Leidwesen der menschlichen Grünflächennutzer. Als „martialisch“ bezeichnet der Stadtrat den Vergiftungsvorgang selbst: „Die Tiere verbluten innerlich. Das ist wie Halloween, aber in echt.“ Zugunsten von Hygiene und Gesundheit müsse das Leid der Ratten aber in Kauf genommen werden. Denn leider gebe es keine andere Möglichkeit, die Tiere so schnell und effektiv zu bekämpfen, so Kirchner. Der „ewige Kampf Mensch gegen Ratte“ wird aber auch am Helmholtzplatz nicht endgültig entschieden werden.

 

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