Vom Teilen und Parken von Autos

von Juliane Schader 10. April 2013

Vor zwei Jahren hat der Bezirk Pankow beschlossen, das Konzept Carsharing zu unterstützen und öffentliche Parkplätze dafür freigeräumt. Ein Zwischenfazit mit Falschparkern und halben Ökos.

Nachmittags in der Stargarder Straße. Eine dieser radfahrenden Touristengruppen hält vor einem geparkten Auto, während ihr Stadtführer erklärt, um was für eine großartige Sehenswürdigkeit es sich dabei handelt. Denn der parkende Wagen ist kein einfaches Auto, sondern ein geteiltes. Seit April 2011 stehen in Prenzlauer Berg 84 Stellplätze im öffentlichen Straßenland ausschließlich für Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung. Das Modellprojekt soll für ein Leben ohne eigenes Auto werben. Zwei Jahre später sind diese Carsharing-Stationen zumindest Touristenattraktionen. Doch hat das Konzept auch bei den Prenzlauer Bergern den politisch gewünschten Effekt erzieht?

Wenn man die Zahlen des Carsharing-Anbieters Cambio betrachtet, erscheint der Plan aufgegangen zu sein: Etwa 1000 Kunden hat das Unternehmen heute in Prenzlauer Berg, das sind drei Mal so viel wie noch vor zwei Jahren. „Die Parkplätze im öffentlichen Straßenland haben uns definitiv noch einmal einen Schub gegeben. Nicht zuletzt, weil die Autos nun viel sichtbarer sind, als wenn sie irgendwo in einer Tiefgarage stehen“, meint Geschäftsführer Reemt Abelbeck. 26 Autos hat Cambio mittlerweile im Stadtteil im Einsatz; 21 von ihnen können auf den vom Bezirk ausgewiesenen Parkplätzen stehen. Die Nachfrage übersteigt dieses Angebot sogar noch. Allerdings wird eine weitere Expansion derzeit durch mangelnden Parkraum gestoppt.

 

Weitere Parkplätze für Carsharing-Autos sind nicht geplant

 

„Wir würden gerne weitere Plätze anmieten und haben sogar schon eine Belohnung von 1000 Euro auf Hinweise ausgesetzt, die zu einer neuen Station führten“, sagt Abelbeck. Bislang jedoch ohne Erfolg. Eine weitere Unterstützung vom Bezirk ist derzeit auch nicht zu erwarten. „Die Ausweisung von Parkplätzen auf öffentlichem Straßenland war ein guter und wichtiger Schritt, weil das dichte Netz Carsharing überhaupt erst attraktiv gemacht hat“, meint Jens-Holger Kirchner (Grüne) Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung. Eine Ausweitung darüber hinaus sei derzeit aber nicht geplant. „Schließlich gibt es mittlerweile auch genug Angebote, die auf diese festen Parkplätze gar nicht angewiesen sind.“

Tatsächlich hat sich auf dem Carsharing-Markt in den vergangenen Jahren einiges getan. Zum einen zu nennen sind dabei die großen Anbieter mit den noch größeren Autokonzernen im Rücken, Car2Go und Drive Now, die wenige Monate nach Start des Modellprojekts in Prenzlauer Berg die Innenstadt mit insgesamt fast 1800 Wagen geschwemmt haben. Spontan einsteigen, fahren und am Zielort einfach wieder abstellen ist deren Prinzip. Schon Ende letzten Jahres und damit 15 Monate nach dem Start meldete etwa Drive Now 30.000 Nutzer in Berlin; Zahlen für Prenzlauer Berg gibt es nicht. Allerdings stehen diese Angebote auch in der Kritik, weil sie vor allem Kleinwagen anbieten, die nur im erweiterten S-Bahn-Ring abgestellt werden dürfen und damit prädestiniert sind für den Kurztripp durch die Stadt. Der aus ökologischer Sicht eben nicht mit dem Auto, sondern dem Rad oder der Bahn absolviert werden sollte.

Zum anderen gibt es mittlerweile weitere kleinere Anbieter wie etwa das Prenzlauer Berger Unternehmen Nachbarschaftsauto, das darauf setzt, dass der private Wagen auch mal an den Nachbarn verliehen wird. Oder Citeecar, das ein Modell praktiziert, bei dem die Autos zwar auf normalen Parkplätzen abgestellt werden können, allerdings nicht überall im Stadtgebiet, sondern innerhalb eines vorher definierten Radiusses von etwa 300 Metern. Das macht das Auffinden etwas berechenbarer, aber das Unternehmen dennoch unabhängig von speziell ausgewiesenen Parkplätzen. Erst seit November 2012 ist Citeecar in Prenzlauer Berg vertreten. „Berlin ist groß und der Markt noch längst nicht gesättigt“, kommentiert Birger Holm, Deutschlandchef des Unternehmens, das Engagement.

 

Auch ein geteiltes Auto bliebt ein Auto

 

Ob nun die Bereitschaft des Bezirks Pankow, öffentliches Straßenland für Carsharing-Unternehmen freizuräumen, Henne oder Ei war beim Boom dieses Konzepts? Vermutlich beides. Um den Erfolg richtig einschätzen zu können, fehlen jedoch konkrete Zahlen, wie viele Prenzlauer Berger seitdem ein Auto teilen oder vielleicht sogar das eigene Fahrzeug abgeschafft haben. Dass immer noch Firmen auf den Markt drängen, ist jedoch zumindest ein eindeutiger Indikator dafür, dass sich das Geschäftsmodell lohnt. Auch wenn, wie der grüne Stadtrat Kirchner sagt, Carsharing zwar ein Schritt in die richtige Richtung sei – „aber auch geteilte Autos sind Autos.“

Die Anbieter, die seit 2011 von den öffentlichen Parkplätzen profitieren, ziehen zumindest ein positives Fazit. Nur mit einem Problem haben alle zu kämpfen, und das sind die Falschparker, die regelmäßig die extra ausgewiesenen Stellplätze blockieren. „Rund 100 solcher haben wir jeden Monat trotz absolutem Halteverbot. Das schadet leider dem System erheblich“, meint eine Sprecherin von Flinkster. Der Carsharing-Ableger der Deutschen Bahn hat rund 50 Autos in Prenzlauer Berg, was etwa einem Viertel der Berliner Flotte entspricht. Das Problem lösen könnten auffällige Bodenmarkierungen und weitere Schilder sowie die Freigabe zum Abschleppen der Falschparker auch ohne Polizei, heißt es bei Flinkster. Reemt Abelbeck von Cambio schlägt alternativ Poller vor. Gegen diese Ideen steht jedoch bislang das Gesetz. Denn auch wenn in Pankow nun seit zwei Jahren die Idee des geteilten Autos politisch unterstützt wird: Auf Landes- und Bundesebene ist man noch nicht soweit.

 

 

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