Zu fortschrittlich für Modellprojekt?

von Kristin Freyer 12. März 2012

Fünf Berliner Straßen sollen zu Begegnungszonen und damit Teil eines Modellprojektes werden. Pankow schickt die Florastraße ins Rennen: Bei Straßen in Prenzlauer Berg fehlt die Herausforderung.

Eigentlich ist Prenzlauer Berg bei alternativen Verkehrskonzepten immer vorne mit dabei. Man denke nur einmal an die extra Stellplätze für Carsharing-Unternehmen oder die überdimensionalen Verkehrsschilder, die rücksichtslose Autofahrer in die Schranken weisen sollten. Bei einem neuen Modellprojekt, der Einführung sogenannter Begegnungszonen, hat der Verkehrsausschuss des Bezirks jetzt aber alle drei Vorschläge aus dem Kiez zurückgenommen. Stattdessen wird die Alt-Pankower Florastraße ins Rennen geschickt.

Das Konzept der Begegnungszonen kommt aus der Schweiz. Bereits Mitte der 90er Jahre wurde in Burgdorf, einer Kleinstadt in der Nähe von Bern, ein erstes Pilotprojekt gestartet. Eingerichtet werden die Zonen hauptsächlich in Geschäfts- und Wohnstraßen, die eine hohe Fußgängerfrequenz aufweisen. Die Passanten haben dort grundsätzlich Vortritt vor Autos und Fahrrädern und können die komplette Straße nutzen. Dabei dürfen jedoch die fahrenden Autos nicht unnötig behindert werden. Mit mehr als 20 Kilometern pro Stunde dürfen diese aber eh nicht unterwegs sein. Das Parken ist nur an gekennzeichneten Stellen erlaubt, dafür können Bänke oder Spielgeräte aufgestellt werden. Vor zehn Jahren wurde die Begegnungszone sogar in das Schweizer Verkehrsrecht aufgenommen. In Deutschland wurde vor vier Jahren in Frankfurt am Main die erste, an das Schweizer Konzept angelehnte Zone eingeführt.

 

Kastanienallee, Kollwitzplatz, Gethsemanekirche als mögliche Begegnungszonen

 

„Bereits 2008 wurde von Studenten der TU ein Mobilitätskonzept für Pankow erstellt“, erzählt Wolfram Kempe (Linke), Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und öffentliche Ordnung. Fünf Straßen und Plätze im Bezirk Pankow seien damals als mögliche Begegnungszonen vorgeschlagen worden, darunter der Bereich vor dem Prater in der Kastanienallee, der Kollwitzplatz und das Gebiet rund um die Gethsemanekirche. In einem ersten Anlauf wurde die Umgestaltung aber abgelehnt.

Nach der Wahl geht es nun aber in eine neue Runde. „Alle Berliner Bezirke wurden aufgefordert, bis Ende Februar neue Vorschläge zu machen“, sagt der Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner (Grüne). „In den nächsten Wochen wird dann entschieden, welche fünf Berliner Straßen zu Begegnungszonen und damit Teil des Modellprojektes werden.“

Doch warum wird das neue Konzept nicht in Prenzlauer Berg getestet, wo die Zahl der Autofahrer eh schon geringer ist als in anderen Kiezen? „Es gibt hier keine Straßen, in denen das Fußgängeraufkommen so hoch ist, dass sich die Fußgänger drängen würden“, sagt Wolfram Kempe. Stadtrat Kirchner meint: „Am Kollwitzplatz gibt es viel zu wenig Autoverkehr und die Fußgänger laufen ohnehin schon so, wie sie wollen.“ Das klingt, als seien die Prenzlauer Berger Nebenstraßen eh schon halbe Begegnungszonen, auch ohne dass man ihnen offiziell diesen Titel verliehen hätte.

 

Florastraße als größere Herausforderung

 

Rund um den Bahnhof Pankow erscheint für den Stadtrat die Einrichtung einer Begegnungszone hingegen nicht nur sinnvoller, sondern sie stellt zudem eine größere Herausforderung dar. Denn durch den Bahnhof gebe es in der Florastraße zwischen Berliner und Grunwostraße viele Fußgänger und Autos, erklärt er. Auch eine Buslinie fahre dort. Zudem sei auch in Alt-Pankow der Radverkehr in den vergangenen Jahren deutlichen gestiegen. „Schauen Sie mal, wie viele Fahrräder jeden Tag am Bahnhof abgestellt werden“, meint Kirchner.

Falls der Senat sich dafür entscheidet, die Florastraße in sein Modellprojekt aufzunehmen, müsste gar nicht viel umgebaut werden. Ein paar farbige Markierungen und Schilder sollen laut Kirchner ausreichen, um ein Gebiet als Begegnungszone auszuweisen. Sogar die Höhenunterschiede zwischen Gehweg und Fahrbahn könnten erhalten bleiben. Teuer werde es also nicht. Dass es bislang an solchen Zonen mangelt, liege vielmehr am bislang fehlenden rechtlichen Rahmen, meint Kempe: „Es gibt viel zu viele Richtlinien und Normen, die vorschreiben, wie eine Straße auszusehen hat.“

 

 

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