Wo die Mauer fiel

von Juliane Schader 7. November 2014

Das erste Loch in der Mauer entstand in Prenzlauer Berg. Dessen gedacht wird am Wochenende mit unzähligen Veranstaltungen wie einer 15 km langen Open-Air-Ausstellung, Führungen, Kammermusik, Gottesdienst im Mauerpark und Ballons haltenden Lokalpolitikern.

Lichtgrenze

Wer im Westen des Prenzlauer Bergs wohnt, der kennt schon die lustigen Plastikständer, die über Nacht entlang des früheren Mauerverlaufs aufgetaucht sind. Von der Bornholmer Straße ziehen sie sich über den Schwedter Steg durch den Mauerpark und von dort über das Brandenburger Tor bis zur Oberbaumbrücke als Endpunkt. 15 Kilometer Mauerverlauf werden so ab heute, 17 Uhr mit auf den Ständern noch anzubringenden leuchtenden Ballons weithin sichtbar gemacht, bis diese am Sonntag um 19 Uhr in den Himmel entlassen werden. Jeder Ballon hat dafür einen Paten, die man sich hier schon einmal im Internet angucken kann. An der Bornholmer Straße hat sich die halbe Bezirksverordnetenversammlung Pankow diesen Job gesichert; die Norweger Straße ist fest in der Hand der Mitarbeiter von Radio Berlin 88.8 (nur als Beispiel). Weitere Infos gibt es hier.

 

Ausstellungen

Alle 150 Meter findet sich entlang der Lichtgrenze ein blauer Info-Kasten. Hier erzählt die Robert-Havemann-Gesellschaft am historischen Ort Geschichten aus der geteilten Stadt, die auch im Netz nachzulesen sind.

Zeugnisse der friedlichen Revolution werden derweil in der Zionskirche gezeigt. Bilder der schwedischen Fotojournalistin Ann-Christine Jansson, die in den 1980ern die Arbeit der Opposition dokumentierte, werden ergänzt mit zeithistorischen Dokumenten der Bürgerrechtler sowie der Staatssicherheit. Die Ausstellung „Radikal persönlich“ läuft noch bis zum 30. November und ist Dienstag von 15 bis 17 Uhr, Mittwoch bis Samstag von 14 bis 19 Uhr und Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

Mit den Helden der friedlichen Revolution haben sich auch die Schüler einer sechsten Klasse der Grundschule am Teutoburger Platz befasst, als sie über 50 Nachbarn nach ihrer Lebensgeschichte gefragt haben. Daraus entstanden ist die Ausstellung „Helden“, die ab Montag bis zum 28. November im Nachbarschaftshaus am Teutoburger Platz in der Fehrbelliner Straße 92 zu sehen ist.

Den Blick aus dem Wedding auf die Mauer Richtung Prenzlauer Berg zeigt derzeit das Museum Pankow. „Zwischen Wedding und Prenzlauer Berg 1973-2004“ ist der Titel der Ausstellung mit Fotos von Karl-Ludwig Lange, die in den Räumen an der Prenzlauer Allee 227/228 Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr und Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr zu sehen ist (Rezension hier). Eintritt frei.

 

Führungen

Fluchten durch den Gleimtunnel, Sprünge in den Westen und konspirative Wohnungen in der Oderberger Straße, darum geht es in den einstündigen Führungen unter dem Motto „Leben und Widerstand im Schatten der Mauer“. Die Führungen finden am 7. November von 18 bis 20 Uhr, am 8. November von 12 bis 20 Uhr und am 9. November von 12 bis 16 Uhr stündlich statt. Treffpunkt ist der Info-Punkt am Eingang des Mauerparks an der Bernauer Straße. Tickets kosten 5 Euro (für Kinder bis 14 Jahren kostenlos) und können vor Ort gekauft werden.

Bereits am Samstag kann man sich auch entlang der Bernauer Straße auf Suche nach Spuren der Mauer und der Teilung begeben. Treffpunkt für die zweistündige Führung ist um 15 Uhr an der Eberswalder Straße. Karten kosten 9, für Kinder 5 Euro. Weitere Infos gibt es bei Olaf Riebe unter 99 54 80 53 bzw. ansichtssachen(at)web.de.

Ebenfalls am Samstag begibt sich Carlo Jordan, ein Gründungsmitglied der Umweltbibliothek, auf Zeitzeugentour rund um die Zionskirche. Treffpunkt ist am Samstag um 14 Uhr vor der Kirche. Die Karten kosten 10 Euro; um eine Anmeldung unter 25 81 85 112 oder crossroads@kkbs.de wird gebeten.

 

Hier noch ein Foto von der nicht ganz fertigen Lichtgrenze an der Norweger Straße. (jw)

 

Filme

Entlang der Lichtgrenze gibt es sieben Infopunkte; zwei davon liegen im Mauerpark und an der Bornholmer Straße in Prenzlauer Berg. Dort wird zu jeder vollen Stunde die 30-minütige Filmcollage vom Mauerbau zum Mauerfall des Dokumentarfilmers Marc Bauder gezeigt.

Im ersten Sommer nach dem Mauerfall – dem letzten der Anarchie – war Petra Tschörtner mit ihrer Kamera in Prenzlauer Berg unterwegs. Die 75 minütige Dokumentation „Berlin – Prenzlauer Berg“ ist definitiv sehenswert (Rezension hier), und daher wird sie hier empfohlen, obwohl sie am Sonntag um 21 Uhr in Friedrichshain, nämlich im Filmrisz in der Rigaer Straße 103 gezeigt wird. Eintritt frei.

 

Konzerte

Bereits am Samstag von 18 bis 19.30 Uhr spielt das European Union Youth Orchestra am Mauerpark Kammermusik.

In der Gethsemanekirche, einst Anlaufstelle der Opposition, wird am Sonntag um 17 Uhr als Fest- und Gedenkkonzert die „Glagolitische Messe“ des tschechischen Komponisten Leoš Janáček sowie das „Te Deum“ von Anton Bruckner gespielt. Karten kosten ab 19,70 Euro; weitere Infos gibt es hier.

Weniger klassisch geht es am Sonntag zwischen 17 und 20 Uhr im Mauersegler zu, wo Radio Fritz für eine Live-Sendung die Bands Pause Applause, Zulu Pearls und Team Amateur auftreten lässt.

 

Gottesdienst

Im Amphitheater am Mauerpark geht es am Sonntag um 11 Uhr einmal nicht um Karaoke, sondern die Kirchengemeinden der Umgebung veranstalten einen ökumenischen Gottesdienst. Er steht unter dem Motto „…und wir sind frei“; unter anderem spricht der Bürgerrechtler und Regisseur Konrad Weiß und es spielt die Band Patchwork.

 

Symbolik

Auch in diesem Jahr findet natürlich zusätzlich zu allem noch der Klassiker unter den Mauerfall-Feierlichkeiten statt: die symbolische Begegnung der beiden Bezirksbürgermeister aus Pankow und Mitte um 21 Uhr am einstigen Grenzübergang Bornholmer Straße. Dort öffnete sich vor 25 Jahren erstmals die Mauer. Seitdem treffen sich jedes Jahr am 9. November Ost und West auf der Brücke, um daran zu erinnern.

 

Verkehr

Wenn die Bahn weiter streikt, wird das am Wochenende vermutlich das größte Problem. Darüber hinaus wird die Bornholmer Straße zwischen Malmöer und Jülicher Straße am Sonntag zwischen 14 und 2 Uhr gesperrt. Gleiches gilt auch für die Bernauer Straße zwischen Garten-  und Ackerstraße am Sonntag zwischen 10 und 13 Uhr. Rund um den Pariser Platz ist schon jetzt bis Montag alles dicht. Auch Fußgänger werden am Sonntag ab 15 Uhr dort nicht mehr überall durchkommen, sagt die Polizei.

 

Lesestoff

Zu guter Letzt noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache, nämlich auf unsere Reihe zum Mauerfall, in der wir in den letzten Wochen Geschichten der friedlichen Revolution zusammengetragen haben.

 1. Teil: Tim Eisenlohr verbrachte seine Jugend in der DDR-Opposition, mit 14 wurde er von der Stasi verhaftet. Erst seit Kurzem berichtet er als Zeitzeuge über die damaligen Ereignisse.

2. Teil: Manfred Kristen war zur Wende Polizist in Prenzlauer Berg. Die Grenze der DDR beachtet er bis heute.

3. Teil: Reinhard Fuhrmann saß als „Republikflüchtling“ in Hohenschönhausen. Später wurde er vom Westen freigekauft. Den Mauerfall erlebte er dennoch in Ost-Berlin. 

4. Teil: Holger Kulick brachte als ZDF-Reporter die DDR in die Wohnzimmer in Ost und West. Heute beschäftigt ihn die Aufarbeitung der Stasi-Akten.

5. Teil: Günter Wehner wurde 1953 von Wilhelm Pieck persönlich in die SED gebeten. Später war er Geschichtslehrer, Armeenlenker und Macher des Traditionskabinetts im Ernst-Thälmann-Park. Mit dem Mauerfall kam die Frührente; als Historiker ist er weiter im Dienst.

Und hier erklären wir, warum es diese Reihe gibt: Warum die Wende in Prenzlauer Berg auch heute noch ein Thema ist, bei dem keineswegs nur Einigkeit herrscht.

 

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